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Kultur: Tasten im Raum

Zwei Berliner Konzerte zum 70. Geburtstag des Komponisten Georg Katzer

70 Jahre und kein bisschen leise: Zum Geburtstag von Georg Katzer bringen Freunde, Kollegen und Schüler klingende Geschenke in die Akademie der Künste. Friedrich Schenker schleudert als witzige „Kleinigkeiten“ improvisierte Posaunentöne in den Raum; Susanne Stelzenbach bringt ein zünftig verfremdetes Chopin-Ständchen am Digital-Piano. Ulrik Spies gar kann in „oing“ von Hans-Joachim Hespos einem mit allerlei Krimskrams gefüllten Sack veritable Schlagzeugklänge entlocken, und wenn Dieter Schnebel in rasanter Sprachpolyphonie seine „Maulwerker“ fragen lässt: „Du Katzer 70?“ – dann glaubt das erst mal keiner.

Georg Katzer hat seine Lust am gewitzten Verstoß gegen Konventionen stets zu bewahren gewusst: In der DDR gehörte der Meisterschüler Hanns Eislers zu den geachteten, doch keineswegs angepassten Komponisten. Für Irritation bei höchsten Stellen konnten da schon Werktitel wie „Die Mechanik und die Kräfte der Abnutzung“ sorgen. Dass der 1980 zum Professor ernannte Komponist das Thema Ausgrenzung noch heute kritisch kommentiert, zeigte 2002 die Uraufführung seiner „Medea“ nach Christa Wolf im Konzerthaus Berlin.

Eine Pioniertat war die Gründung des ersten elektronischen Studios der DDR 1986, gegen massive Widerstände. Folkmar Heyn vom elektronischen Studio der TU rühmt Katzer hier geradezu als Träger des Ost-West-Dialogs. Tatsächlich ist Kommunikation für ihn immer ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit gewesen – nicht zufällig heißt sein eigenes Werk beim Akademie-Geburtstagsabend „Dialog imaginär 2“, und der Pianist Ernst Surberg kann mit virtuoser Intensität und im Widerhall des elektronisch verfremdeten Klavierklangs von dessen lebendiger, farbenreicher Spannung überzeugen. Gewissermaßen „unplugged“ wird Katzer abends zuvor im Konzerthaus portraitiert; hier steht das Akkordeon mit seinen vielschichtig zwischen Blas- und Tasteninstrumenten changierenden Farbwerten im Mittelpunkt. Was hier Schüler von Gerhard Scherer mit der Uraufführung diverser „Bagatellen“ leisten, ist verblüffend und herzerfrischend. „Ertastete Räume“ für Akkordeon und Klavier oder das Klavierstück „Aufgrund meiner Verehrung für Domenico Scarlatti“, dem Xie Ya-ou die sensible Fingerfertigkeit widmet, spüren auch im traditionellen Rahmen ganz eigene Klangwelten auf. Das vom Kairos-Quartett mit viel Klangfarbensinn uraufgeführte Streichquartett Nr. 4 verzichtet auf gängige spieltechnische Neuerungen, lenkt vielleicht gerade dadurch das Augenmerk auf Dehnungen und Stauchungen der Zeit im fesselnd lebendigen Fluss. Doch das soll noch lange nicht alles gewesen sein: Derzeit arbeitet der Komponist an einem Orchesterwerk für „Musica Viva“ in München.

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