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Holger Friedrich, Eigentümer und Verleger der „Berliner Zeitung“.

© dpa/Britta Pedersen

Prozess gegen Ex-“Bild“-Chef Reichelt: „Falls du ein ruhiges Essen und eine gute Flasche Wein brauchst“

Erst umwarb der Verleger der „Berliner Zeitung“ Holger Friedrich den geschassten „Bild“-Chefredakteur, dann verriet er ihn an Springer. Das brachte Reichelt einen Gerichtsprozess ein.

Der Verleger der “Berliner Zeitung”, Holger Friedrich, soll schon im Oktober 2021 Kontakt zu Julian Reichelt auf­genommen haben – also drei Tage nach dessen Rauswurf bei Springer. Das meldet die „Zeit“ in ihrer aktuellen Ausgabe. In einer Nachricht an Reichelt soll Friedrich am 21. Oktober geschrieben haben, er empfinde es als „wenig fair, wie mit dir umgegangen wird“.

Das soll er auch seinen Redaktionen mit­geteilt haben: „Wir treten nicht zu.“ Weiter habe Friedrich an Reichelt geschrieben: „Falls es Momente gibt, in denen du nicht weißt, wen du anrufen sollst oder ein ruhiges Essen und eine gute Flasche Wein brauchst, kannst du dich gerne melden.“

Am 15. April 2023 hat Reichelt laut „Zeit“-Bericht von diesem Angebot Gebrauch gemacht, woraufhin Friedrich Reichelt an den Chef­redakteur der „Berliner Zeitung“, Tomasz Kurianowicz, verwiesen haben soll. Mit diesem habe sich Reichelt zwei Tage später getroffen und ihm per WhatsApp Screenshots zukommen lassen.

Vier Tage nach Reichelts Kontakt­aufnahme soll Friedrich dann Springers Chef­juristen Konrad Wartenberg informiert haben, Reichelt habe ihm „interne Kommunikationen von Mitgliedern der oberen Leitungs­ebene im Vorstand oder von Stabs­funktionen“ zukommen lassen.

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Laut „Zeit“ könnte Friedrich damit „übertrieben haben“ – offenbar handelt es sich nur um einen fünfzeiligen Screenshot aus einer WhatsApp-Gruppe, in der Springers Compliance-Chef etwas über einen ehemaligen Mitarbeiter schreibt. Der Name Reichelt werde darin nicht erwähnt.

Dazu muss man wissen, dass die Springer-Zeitung „Welt am Sonntag“ Holger Friedrichs Vergangenheit als Stasi-IM aufgedeckt hatte. Das muss Reichelt zu dem Urteil gebracht haben, dass Friedrich sich an Springer werde „rächen“ wollen, er also vertrauenswürdig ist. Ein Irrtum offensichtlich. Reichelt nennt es im „Zeit“-Beitrag „idiotisch“, sich ausgerechnet an „einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter“ zu wenden.

Springer wiederum kann sich freuen, denn der geschasste „Bild“-Chefredakteur muss seine Zwei-Millionen-Abfindung von Springer nun vor Gericht verteidigen. Er hatte bei seinem Weggang unterschrieben, keine Springer-Interna nach außen zu geben. Diese Zusage sieht Springer gebrochen.

Dass wir mit unserer Einschätzung vollinhaltlich recht hatten, wurde nun von zwei Gerichten bestätigt.

Holger Friedrich

Holger Friedrich rechtfertigt in einem eigenen Beitrag sein und das Vorgehen der Redaktion: „Wir kamen zu dem Schluss, dass es hier nicht um eine Berichterstattung im öffentlichen Interesse ging, sondern um den Versuch von Herrn Reichelt, die Berliner Zeitung für seinen wirtschaftlichen Vorteil zu instrumentalisieren.“

Nach gemeinsamer Einschätzung seien damit einerseits Persönlichkeitsrechte und anderseits professionelle Standards verletzt worden. „Um nicht Teil dieses vermutlich missbräuchlichen Vorgehens zu werden, haben wir, wie es in diesem Fall in allen Industrien Standard ist, das Justiziariat des Axel-Springer-Verlages über den Sachstand informiert und eine weitere Verwendung der Daten unterbunden“, hieß es. „Dass wir mit unserer Einschätzung vollinhaltlich recht hatten, wurde nun von zwei Gerichten bestätigt.“

Das Landgericht Berlin hatte Anfang Juni einen Unterlassungsantrag von Reichelt zurückgewiesen und festgestellt, er habe keinen Anspruch auf Informantenschutz (der im journalistischen Metier als heilig gilt). Dieser Informantenschutz ist im Pressekodex in Ziffer 5 als publizistischer Grundsatz festgehalten. Holger Friedrich wurde für seinen Verstoß dagegen vom Presserat gerügt. Im Gerichtsbeschluss aber heißt es, dieser Passus im Pressekodex sei „rechtlich unverbindlich“.

Holger Friedrichs Schlussfolgerung aus dem bisherigen Geschehen: „Die wichtigste Frage erscheint mir daher, ob und wie die Journalisten ihre exponierte und durch das Grundgesetz geschützte Rolle verantwortungsvoll ausfüllen.“ Nur so könnten die Gefahren von Machtmissbrauch oder Interessenkonflikten strukturell reduziert werden. Friedrich sieht sich damit als Kämpfer für „all jene Journalisten, die ihren Job leidenschaftlich und nach bestem Wissen und Gewissen ausüben“.

In einem ersten Termin Anfang Juni, in dem die Klage von Springer gegen Reichelt in Berlin vor dem Arbeitsgericht verhandelt wurde, gab es kein Ergebnis. Ein weiterer Termin vor dem Kammergericht ist für November geplant. Reichelt wehrt sich gegen die Klage von Springer mit einer Widerklage.

Der Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, Thomas Kurianowicz, und Verleger Holger Friedrich wollten sich zu Nachfragen des Tagesspiegel nicht äußern.

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