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Der isländische Starpianist Víkingur Ólafsson.

© Ari Magg

Víkingur Ólafsson im Kammermusiksaal : Der ungemütliche Mozart

Der isländische Starpianist hat sein Programm „Mozart & Contemporaries“ bereits als Album eingespielt. Jetzt gastierte er damit in Berlin.

Wer spielt, denkt nach und verliert sich, um so etwas wie Erkenntnis zu gewinnen: Auf diese Weise umkreist Víkingur Ólafsson Mozart in seinem Konzeptalbum „Mozart & Contemporaries“, dessen exakte Werkfolge er jetzt im Kammermusiksaal als zweiteiligen Zyklus darbot. Wie auf der CD beginnt er mit einem „Andante spiritoso“ von Baldassare Galuppi, wechselt nahtlos zu Mozarts F-Dur-Rondo und kehrt die Schattenseiten der vermeintlich kindlichen Unschuld des Salzburger Genies hervor, Mozarts Moll-Seite, die Melancholie, das Elegische und Somnambule.

Es ist still im Saal rund um das halb abgedunkelte Podium, sehr still. Frenetisch applaudiert wird erst am Ende.

Dabei frönt der isländische Star- und Ausnahmepianist, wie er auf seinem Hocker kauert, beileibe nicht nur der Komtemplation. Auch wenn er die Tempi mitunter bis zum Zerreißen dehnt und schließlich in ätherische Gefilde abdriftet:  Franz Liszts Klavierbearbeitung des „Ave verum“ trägt er als ein von Schweigen umhegtes meditatives Glasperlenspiel vor, erklärt Mozart zum Vorläufer von Arvo Pärt.

Ólafsson ist kein Schlafwandler, sondern ein Tagträumer. Immer wieder legt er seine berühmte leichte Ungeduld an den Tag, lässt die Innigkeit und Schlichtheit etwa in der „Sonata facile“ ins Ungestüme, Unerbittliche umschlagen, meißelt Töne in die Tasten, setzt harsche Schlusspunkte.

Eine Musik voller Gemütsschwankungen: Auch der zerquälte, zerklüftete, mitunter rasende Mozart liegt dem 39-Jährigen am Herzen, dessen Anmut genauso wie dessen Unruhegeist. Manchmal weitet Ólafsson den intimen Andachtsraum auch zur Kathedrale, wie in seinem Klavierarrangement des Adagios aus Mozarts g-moll-Streichquintett.

Sein weiches Staccato macht ihm so schnell keiner nach. Ähnlich nuanciert wie die Anschlagstechnik sind die feinen, gezielten Rubati. In Haydns harmonisch kühner h-moll-Sonate markieren sie die Momente des Zögerns und der Metamorphose. Ólafsson analysiert und filetiert, lässt sich aber auch hinreißen und horcht den Tönen nach, als improvisiere er frei vor sich hin.

Nur nach der Pause, im Adagio von Mozarts c-moll-Sonate wie im h-moll-Adagio KV 540, übertreibt er es doch ein wenig mit der Slowmotion, der Stilllegung der Zeit und der Vergeistigung. Die Stücke werden löchrig, statt an Intensität zu gewinnen. Aber wer nicht wagt, hat auch nichts zu verlieren.

Vielleicht kommt Mozarts eineinhalbminütige G-Dur-Gigue im ersten Konzertteil, die als Fuge beginnt, um rasch ins Kreiseln und Trudeln zu geraten, Ólafssons Mozart-Bild am nächsten. Man denkt dabei jedenfalls an eine Passage aus Arno Geigers Buch „Das glückliche Geheimnis“, in der es heißt, dass als Simpel gelte, wer sich im Kreis dreht. Dabei verfeinere man so  „seine Erfahrungen, vertieft sie mit der Zeit. Vielleicht hat, wer sich im Kreis dreht, Anteil am Unendlichen.“

Bachs Goldberg-Variationen, das schlichte Liedthema, als Zugabe: keine Kreisbewegung, sondern ein Cliffhänger. Mit dem Zyklus, sagt Víkingur Ólafsson, kommt er im Herbst wieder hierher – auch wenn Berlin bei seinen Bach-Tourneedaten noch nicht verzeichnet ist.

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