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Vivaldi-Oper „La Fida ninfa“, aufgeführt auf den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

© Birgit Gufler

Vivaldis „La fida ninfa“ in Innsbruck: Fantastische Gestalten

Unbekannt und unterschätzt: Rare Opern von Vivaldi gibt es gleich drei während der Innsbrucker Festwochen zu entdecken, darunter die märchenhaft inszenierte „La fida ninfa“.

Von Kirsten Liese

Von Antonio Vivaldi gibt es noch kaum bekannte Opern zu entdecken. Die bis Ende August währenden Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, die gleich drei seiner Werke aufführen, bieten dazu beste Gelegenheit.

Raritäten als Tradition des Festivals

Raritäten des 17. und 18. Jahrhunderts aus Italien stehen in der 47- jährigen Geschichte des Festivals, das sich auch aus Südtirol eines größeren Zulaufs erfreut, in einer langen Tradition. René Jacobs, der dem Festival von 1997 bis 2009 als künstlerischer Leiter vorstand und sich seit über 30 Jahren an der Berliner Staatsoper als Barockspezialist unentbehrlich gemacht hat, führte seinerzeit vergessene Meister wie Monteverdi, Cesti, Cavalli, Conti oder Sartorio auf. Erst recht musste sich sein Nachfolger Alessandro De Marchi, der in diesem Sommer nach 13 erfolgreichen Jahren auch schon wieder seinen Ausstand feiert, den Meistern seiner italienischen Heimat verpflichtet fühlen.

Allmählich scheint sich sogar eine Renaissance des seiner feuerroten Haare wegen oft „roter Priester“ genannten Komponisten anzubahnen. Zumindest gelangte seine wohl bekannteste Oper „Il Giustino“ in den vergangenen Jahren in Halle, im schwedischen Drottningholm und Berlin zur Aufführung, am letzteren Ort natürlich unter René Jacobs. Die Welt der Barockoper ist trotz einer wachsenden Festivalszene der Alten Musik eben doch familiär und klein.

Falsche Identitäten, halbtierische Wesen und märchenhaft barockes Kostümbild.
Falsche Identitäten, halbtierische Wesen und märchenhaft barockes Kostümbild.

© Birgit Gufler

Wie schön, dass Innsbruck andere Kostbarkeiten ausgewählt hat: „La fida ninfa“, die zweite Produktion in diesem Sommer neben der größeren „Olimpiade“, ist eine Kammeroper. Immerhin schaffte sie es aber als einziges Werk zu Lebzeiten Vivaldis auf die Wiener Bühne.

Falsche Identitäten sorgen darin für allerhand Wirrnisse, bis am Ende die richtigen Paare zueinander finden. Entfernt erinnert die Handlung an Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“, nur dass es hier zwei Brüder sind, die sich – von Kindheit an auseinander gerissen – auf der Insel Skyros wiederfinden. Man mag auch an Mozarts „Entführung aus dem Serail“ denken, auch wenn Bassa Selim einen gütigeren Herrscher vorstellt als Vivaldis korsarischer Pirat Oralto, der nicht so einfach davon ablässt, seine Liebe mit brutalen Mitteln einzufordern. Licori, die Begehrte, ist ihrem Liebsten treu wie Mozarts Konstanze, verwechselt ihn aber mit seinem Bruder Osmino (nicht zu verwechseln mit Mozarts Osmin). Dass in einem solchen Durcheinander Eifersucht aufkommt, lässt sich denken.

Einfachreich in Szene gesetzt

Konzipiert hatte Vivaldi das Stück für das Teatro Filarmonico in Verona, wo es 1732 uraufgeführt wurde, eigens als Pastorale, um größeren szenischen Aufwand zu vermeiden, den eine Opera seria mit sich gebracht hätte. In Innsbruck hat der Franzose François de Carpentries das Verwirrspiel mit sparsamen Dekorationen, Bäumen und Felsen einfallsreich in Szene gesetzt.

Fantastische Gestalten mit Tierköpfen - Göttin Athene als Eule, Minotaurus als Einhorn und der personifizierte jugendliche Übermut als Widder - streifen durch den Wald, in dem die Liebenden die Orientierung verloren haben. Am Ende tritt mit einem giftgrünen imposanten Kopfputz zu später Stunde noch eine Tochter der Gorgonen, vermutlich Medusa, in Erscheinung, bestens abgestimmt auf den Text der Arie „Wie die Schlange einen Ast eng umwindet“. Überhaupt bescheren die von Karine Van Hercke entworfenen Kostüme mit märchenhaften Kreationen und barocken Moden schöne Schauwerte.

Sturmausbrüche

Die sich auf der Bühne einstellende Leichtigkeit korrespondiert trefflich mit der Musik, stilsicher und elastisch einstudiert von Chiara Cattani mit dem Barockorchester:Jung. Allein schon die Instrumentation besorgt farbliche Abwechslung. Hörner und Trompete geben dem feierlichen Beginn und Schlusschor majestätischen Glanz, einmalig in einem Duett, das sich an den Gott Pan wendet, kommen Blockflöten passend zum Einsatz. Und wenn vor dem lieto fine, also dem glücklichen Ende, noch ein heftiger Sturm ausbricht, setzt sich effektreich die Windmaschine in Gang.

Unverkennbare Handschrift

Bemerkenswert an der Partitur erscheint vor allem aber, dass Vivaldi außer den üblichen da Capo-Arien, Rezitativen und Duetten für ein vergleichsweise kleines pastorales Werk noch ein Terzett und ein Quartett geschrieben hat. Nur ein Lamento, auf das sich Händel so meisterlich verstand, entbehrt die überwiegend positive Energien freisetzende Petitesse. Stilistisch aber bleibt Vivaldis Handschrift mit teils nähmaschinenartigen Tonwiederholungen auf einer Harmonie unverkennbar.

Große Wagner-Stimmen braucht es dafür freilich nicht. Hoch virtuosen Koloraturen, in denen sich schwerlich Zäsuren zum Atmen finden, und Arien von intimer Zärtlichkeit kommt es sogar zugute, dass kleinere Stimmen mit schönen lichten Timbres und schlanker Stimmführung bestechen. Chelsea Zurflüh, Eline Welle, die Countertenöre Vojtĕch Pelka und Nicolò Balducci sowie Yevhen Rakhmanin als die einzigen tiefen, dunklen Stimme ergeben ein homogenes, vorzügliches Ensemble.

Ab September übernimmt De Marchis Landsmann Ottavio Dantone die künstlerische Leitung des Innsbrucker Festivals. Italienische Barockopern werden dann sicherlich weiterhin einen Schwerpunkt bilden.

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