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Golden Gate, White Trash: Weiß und Rot und Gold

Es war dann auch ein paar Wochen später nicht besonders voll im Golden Gate, wieder an einem Donnerstag, wieder so gegen zwei Uhr nachts. Immerhin gab es keine Probleme am Einlass, ich war, wie es schien, wieder vollwertiges Mitglied in der Club-Community.

Es war dann auch ein paar Wochen später nicht besonders voll im Golden Gate, wieder an einem Donnerstag, wieder so gegen zwei Uhr nachts. Immerhin gab es keine Probleme am Einlass, ich war, wie es schien, wieder vollwertiges Mitglied in der Club-Community. Das Erstaunliche ist, dass das Golden Gate eigentlich fast immer noch genauso aussieht wie vor elf, zwölf Jahren, als es eröffnet wurde; nicht besonders weiträumig, runtergerockt, ungestylt, unglamourös, mit einer irgendwie rautenförmigen Tanzfläche, einem Vorraum, in dem die Theke steht. Neu ist das stabile Treppengeländer hoch zu den auch im Vergleich zu früher seriöser wirkenden Toiletten sowie ein Garten mit gleichfalls seriöser wirkenden Tischen und Stühlen als ehedem.

Wer ausgerechnet hierher warum hingeht, lässt sich in zwei, drei Nächten nur schwer ausmachen. Wie in vielen Berliner Clubs (nicht zuletzt im Berghain) lässt sich das Publikum nur schwer bestimmten Szenen zuordnen, es ist eher ungestylt als herausgeputzt. Reimund Spitzer, der Golden-Gate-Betreiber, hat in einem „taz“-Interview einmal gesagt, in seinen Laden würden vor allem „Spinner“ gehen. Aber solche Spinner, so Spitzer, „die wach und offen sind, hellsichtig geradezu, die mehr mitkriegen von der Welt,(..). Also die liebenswerte, fast schon schlaue Art von Spinnern.“

Tja, und dann schaue ich mich so unter den Spinnern um, ohne Spinnertes zu erkennen, und treffe wenigstens Reimund Spitzer höchstpersönlich, der an diesem Abend nach dem Rechten sieht und immer mal wieder hier- und dorthin muss. Zwischen zwei Wegen erzählt er, dass seine Spinner natürlich auch Touristen und Studenten seien. Und er deshalb Semesterferien oder die Winterzeit schon bemerke, sich bestimmte Publikumsstoßzeiten jedoch nie vorhersagen lassen würden, sei es nun bei den mittäglichen Afterhour-Veranstaltungen, sei es in der Nacht: „Manchmal ist es aus heiterem Himmel knackevoll“. Ob er sich sein Berufsleben so vorgestellt hat? Und dass das Golden Gate einmal zum Club-Establishment gehören würde? Auf solche Fragen lächelt Spitzer nur hintergründig.

Die Zeiten jedenfalls sind günstig. Dinosaurier und Leuchttürme gibt es im Nachtleben immer mehr. Der Rote Salon ist auch so ein Dinosaurier, allerdings nicht so sehr einer der klassischen Club-, sondern der Ausgehkultur überhaupt. Hier gibt es den Northern Soul Allnighter genauso wie es passieren kann, dass auf eine Lesung mit David Wagner eine Stunde später das Gin Palace Cabaret folgt und das Publikum komplett ausgetauscht wird. So lässt man sich also von Wagner zuerst erzählen, wie das in den neunziger Jahren im Café M so war, als er sich immer nach den Achtzigern sehnte (so wie jetzt die Neunziger die goldenen Sehnsuchtsjahre für die später nach Berlin Gezogenen sind); und dann trifft man nach langer Zeit urplötzlich Kristian Wolff wieder, der sich um Konzerte, Partys und das Samstagnacht-Booking des Roten Salons kümmert.

Das tut er aber nur noch bis Ende des Jahres: Wolff wechselt in den Burger-, Touristen und Rock-’n’-Roll-Schuppen White Trash, wo er demnächst für das Musikprogramm zuständig ist, zusammen mit seinem alten Kumpel Markus „Tommy“ Rhein, den man auch als DJ Lobotomy, Zen-Faschisten-und-Narcotics-Musiker und The-Fall-Fan kennt. Wolffs Wechsel passt gut, denn auch das White Trash verlegt seinen Standort und schlägt ab April nicht weit von der alten Arena und dem Club der Visionäre sein Zelt auf, von der Ausgehmeile in Mitte zur Kreuzberger Ausgehmeile also. Das ist halt dinosauriersicher, da kann nichts schiefgehen.

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