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Oval mit Oboe. Die beiden vereinten Ensembles bei ihrem Konzert.

©  Pierre Boulez Saal

Die Ensembles Hewar und Gurdjieff: Wo die Duduk singt

Die Ensembles Hewar und Gurdjieff beenden ihre gemeinsame Tour mit syrischer und armenischer Musik im Pierre Boulez Saal.

Schon die Anordnung der 14 Pulte verrät: Dies wird ein besonderer Abend im Pierre Boulez Saal. Sie stehen im Oval mitten im Publikum, ideal für den Dialog der Kulturen zwischen dem Ensemble Hewar unter Leitung des syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh und dem armenischen Gurdjieff-Ensemble, geleitet von Levon Eskenian. Beide Ensembles haben sich beim Morgenland Festival 2015 in Osnabrück kennengelernt und beendeten jetzt eine gemeinsame Tournee im Boulez Saal, diesem „wunderbaren Wohnzimmer“ (Azmeh). Syrien und Armenien sind keine Nachbarn, aber während des Genozids 1915 wurden viele Armenier von Syrern aufgenommen – die heute wiederum fünfstellig in Armenien Zuflucht finden.

Beide Ensembles spielen zusammen, Hewar mit Klarinette, Stimme, Violine und Cello, Gurdjieff mit traditionellen kaukasischen Instrumenten – was schon einen grundsätzlich anderen Sound impliziert als sonst in einem Kammermusiksaal. Sängerin und Komponistin Dima Orsho, Gründungsmitglied von Hewar, eröffnet mit einer Hommage an die sumerische Göttin Ishtar. Klarinette und Cello geben einen dunklen melancholischen Grundton, die Duduk, die „armenische Flöte“, die mit der Oboe verwandt ist, verstärkt mit sattem dunklen Sound die melancholische Stimmung – auf die Orsho mit faszinierendem arabischen Gesang aufsetzt. Große Trommel und Tamburin fallen mit dumpfen und immer schnelleren Schlägen ein, treiben, stampfen den Rhythmus. Dann bekommen Zupfinstrumente wie Oud und armenische Zither ihre Soli, bis das Ganze nach schneller Steigerung abbricht. Hier zeigt sich ein Grundmuster des Abends. Rhythmische und getragene Phasen wechseln sich ab, die Stimme liefert der Klarinette einen Grundton, ähnlich wie in der armenischen Musik die Duduk den Grundton spielt. Schlagwerk treibt den Rhythmus voran.

Außergewöhnliche Instrumente kommen zum Einsatz

Eine Entdeckung sind zwei Stücke des Armeniers Komitas Vardapet. Der Priester, Komponist und Musikwissenschaftler, dessen Geburtstag sich 2019 zum 150. Mal jährt, hatte in Berlin Musikwissenschaft studiert und über 3000 armenische Volkslieder aufgeschrieben, er gilt als Vater der armenischen klassischen Musik. Sein Tanzstück „Karnor Shoror“ beginnt verhalten und endet in einem furiosen Finale aller Instrumente. Und bei „Msho Shoror“ kommen außergewöhnliche Instrumente zum Einsatz: ein Weihrauchkessel mit Glöckchen oder ein Zeremonienstab mit goldener Sonne, an deren Strahlen wiederum Glöckchen hängen. Die Nähe und Verwandtschaft zwischen beiden Musikkulturen ist offensichtlich. Das zeigt sich auch in der Auftragskomposition Kharej al-Sirb von Issam Rafea, einem wunderbaren schnellen Stück, in dem man die Verwandtschaft der Violine mit der Kamantsche, der iranischen Stachelgeige, hören kann. Immer wieder bekommen die Instrumentalisten Soli wie im Jazz, bis wieder alles in einem furiosen Finale endet. Und wenn Kinan Azmeh in „Fantasy in Three Characters“ alles aus der Klarinette herausholt, klingt sie wie ein Saxophon. „Musik für das denkende Ohr“ ist das Motto des Boulez Saals, „Musik für den wippenden Fuß“ möchte man hinzufügen. Man kann bei diesem Programm, das schließlich den Saal rockt, nicht sitzen bleiben.

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