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Heinrich Schütz auf einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert.

© / Foto: Imago

Zum 350. Todestag von Heinrich Schütz: Musikalischer Urvater und Kosmopolit

Er war von Italien inspiriert, seine Musik spiegelt aber auch die Schrecken des Dreißigjährigen Kriegs: Vor 350 Jahren starb der Komponist Heinrich Schütz in Dresden.

Mit spektakulären Zuschreibungen ist die Musikjournaille ja immer schnell, doch wer Profi- wie Hobbychoristen als unangefochtener Hausgott gilt, dürfte selbst dem kulturfernen allgemeingebildeten Schüler etwas sagen: Heinrich Schütz wurde schon zu Lebzeiten als „Urvater der deutschen Musik“ bezeichnet, auch wenn seine Werke danach fast zwei Jahrhunderte lang so gut wie vergessen waren.

Unbestritten war er der erste Komponist, der auf deutschem Boden Musik schuf, die nicht nur Hof und Klerus nützlich oder gefällig war, sondern für sich selbst stand. Dass Schütz sie auch drucken ließ, zeugt von seinem Selbstbewusstsein im besten Sinne des Wortes als eigenständiger Künstler.

Hineingeboren in eine wohlhabende thüringische Familie, wuchs der Köstritzer Gastwirtssohn im damals kursächsischen Weißenfels auf, wo er sich später auch – bis zu seinem Ende im dazumal geradezu biblischen Alter von 87 Jahren – seinen Alterswohnsitz einrichtete.

Seine Karriere verdankte er einem zufällig durchreisenden Hotelgast seines Vaters: Der hessische Landgraf Moritz holte den 13-Jährigen als Kapellknaben an seinen Hof in Kassel und bezahlte ihm einen mehrjährigen Studienaufenthalt beim venezianischen Großmeister Giovanni Gabrieli.

Bei ihm lernte Freund Schütz ausführlich die italienische Mehrchörigkeit und Madrigaltechnik kennen, die für seine späteren Hauptwerke die hauptsächliche Inspiration gewesen sein dürften. Ein gut durchdachtes Programm mit Werken beider Komponisten, das der Staats- und Domchor am 5. November in seinem Stammhaus gemeinsam mit der Lautten-Compagney Berlin aufführen will, lässt die starken Einflüsse wunderbar nachvollziehen.

Gabrielis Nachfolger wurde gegen seinen Wunsch trotzdem ein Italiener: Claudio Monteverdi. Also kehrte der Thüringer nach Hessen zurück, wurde aber dem Landgrafen, der nicht nur seine Ausbildung, sondern auch die Studienreise brav finanziert hatte, wenig später vom sächsischen Kurfürsten Johann Georg ausgespannt, was zu ernsthaften diplomatischen Verwicklungen führte.

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Fortan durfte sich Heinrich Schütz Hofkapellmeister in Dresden nennen und legte hier den Großteil seines Schaffens nieder, von dem man annimmt, dass viel davon verschollen ist. In Rente gehen durfte der Hofmusikus allerdings erst mit 72 Jahren, als sein gestrenger Dienstherr gestorben war und schließlich erst dessen Sohn ein gnädiges Einsehen hatte.

Heinrich Schütz lebte also überwiegend im heutigen Mitteldeutschland, einer Gegend, die sich schon damals als kulturelles Zentrum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation fühlen durfte und bis heute die Schütz-Pflege an vorderster Front mitbestimmt. Damit blieb er – abgesehen von seinen Aufenthalten in Venedig und mehrmaligen Fremdengagements am dänischen Hof – einer unwirtlichen wie unfriedlichen Gegend treu. Ein Großteil seiner Lebenszeit wurde von bewaffneten Konflikten im eigenen Land geprägt.

In einer finsteren Zeit vermittelte seine Musik auch Hoffnung

So erlebte Schütz den gesamten Dreißigjährigen Krieg hautnah als Zeit von Existenzangst, kulturellem Niedergang seiner eigenen Hofkapelle und unmittelbarer Grausamkeit. Mehrere ergreifende Klagen sind in seinen Briefen, Vorworten und Kompositionen überliefert. Viele seiner Werke - allen voran die Psalmen Davids oder die Geistliche Chormusik 1648 - spiegeln die ureigenen Erfahrungen in unmittelbarer Nachbarschaft von Seuchen, Tod und nicht selten fürchterlichen Gräueltaten wider. In einer qualvollen Zeit war es aber vor allem Schütz, der trotz seiner Erlebnisse mit seiner Musik Hoffnung zu vermitteln vermochte - den Höflingen wie den einfachen Kirchgängern.

Das ist umso erstaunlicher, als der trotz aller Berühmtheit immer abhängig Angestellte fast alle Familienangehörigen überlebte und am 6. November 1672 ziemlich vereinsamt starb. Gleichwohl verewigte er sich im deutschen kulturellen Gedächtnis mit einer Musik, die zwar die italienischen Errungenschaften des „konzertierenden Stils“ zitierte, aber einen ganz eigenen Weg der Textausdeutung fand und zugleich – mit der Verbindung von Madrigal- und Generalbasskonstruktion – einen Stil entwickelte, der die barocken Nachfolger melodisch wie harmonisch lange prägen sollte.

Auch wenn Heinrich Schütz erst nach 200 Jahren wieder von Franz Liszt und seinen Zeitgenossen entdeckt wurde – seitdem kommt erst reicht keiner an ihm vorbei, auch in Berlin nicht: Am 13. November feiert in der Samariterkirche Friedrichshain das Junge Ensemble Berlin den Todestag des Komponisten mit den „Musikalischen Exequien“, am 20. November singt der Monteverdi-Chor im Kammermusiksaal der Philharmonie mit dem 119. Psalm Schütz' letztes überliefertes Werk, den sogenannten „Schwanengesang“. Schöner kann man nicht sterben.

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