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Die Schriftstellerin Gabriele Wohmann 2009 in ihrem Haus in Darmstadt.

© dpa

Zum Tod der Erzählerin Gabriele Wohmann: Ich bleibe in meiner Nähe

Sie war eine große Chronistin des Privaten: Gabriele Wohmann schrieb über 600 Kurzgeschichten und wurde zu Recht als deren Meisterin gerühmt. Nun ist die Schriftstellerin mit 83 Jahren gestorben.

„Die Idee des Jahres oder Weihnachten ohne mich“ heißt Gabriele Wohmanns letzte Sammlung von 15 Kurzgeschichten, die der Aufbau-Verlag für September angekündigt hat. Angesichts der Nachricht, dass die Schriftstellerin jetzt im Alter von 83 Jahren in ihrer Heimatstadt Darmstadt gestorben ist, erfüllt diesen Buchtitel eine traurige Prophetie.

Wie so viele deutsche Geistesgrößen entstammte Gabriele Wohmann einem Pfarrhaus. Sie wurde am 21. Mai 1932 als Tochter von Luise und Paul Daniel Guyot geboren, dem Direktor des Hessischen und Rheinisch-Westfälischen Diakonievereins. Der Jugendstil-Metropole hielt sie lebenslang die Treue, abgesehen von ihrer Internatszeit auf Langeoog und vier Philologie-Semestern in Frankfurt. 1953 heiratete sie den Germanisten Reiner Wohmann. Ähnlich wie die ZDF-Serie „Diese Drombuschs“ aus den 1980er Jahren gehörte die Verfasserin von rund 600 Kurzgeschichten, als deren Meisterin sie zu Recht gerühmt wurde, jahrzehntelang zum kulturellen Inventar Darmstadts und der alten Bundesrepublik.

Gabriele Wohmann: "Ich habe den Authentizitätstick"

1958 debütierte sie mit dem Roman „Jetzt und nie“, der einen Tag aus dem Leben eines Bitumenvertreters schildert. Durch die Heirat mit einer mittlerweile tödlich erkrankten Frau sieht dieser sich an seiner Karriere gehindert. Häufig werden Wohmanns betont durchschnittlichen Protagonisten die familiären Verhältnisse zur still ertragenen Hölle. Das stärkste, an Gisela Elsner erinnernde satirische Potential dürfte sie 1967 in ihrem Roman „Die Bütows“ entfaltet haben. Das ist das in beklemmenden Standardsätzen formulierte Porträt eines repressiven Muster-Elternpaares, das im Theater selbstredend ein Premieren-Abonnement hat: „Das bedeutet, dass sie ihre Nerven nicht schonen, denn sie kommen meist verärgert nach Haus.“

„Ich bin kein Fabulierer, kein Personen- und Stoff-Erfinder, ich habe den Authentizitätstick, also werde ich beim Schreiben auch immer so ziemlich in meiner eigenen Nähe bleiben“, erklärte Gabriele Wohmann in der für sie typischen Lakonik. Sie verfasste Romane wie „Abschied für länger“, „Ernste Absicht“ oder „Paulinchen war allein zu Haus“, der 1981 verfilmt wurde.

Früh trat Wohmann der Gruppe 47 bei

Gabriele Wohmann schrieb auch Gedichte sowie 20 Fernseh- und Hörspiele, als diese künstlerischen Gattungen noch in üppiger Blüte standen. Gehöriges Aufsehen erregte sie 1973 mit ihrem Auftritt als alkoholkranke Laura an der Seite Heinz Bennents in dem Fernsehspiel „Entziehung – Ein Tagebuch“. Dass sie die bundesrepublikanische Mentalität so trefflich abbildete, trug ihr manche Auszeichnung ein. Früh trat sie bei der Gruppe 47 auf und gehörte seit 1975 der Berliner Akademie der Künste sowie der Akademie für Sprache und Dichtung an. Nun ist die große Chronistin des Privaten verstummt.

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