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Der legendäre US-Sänger Harry Belafonte ist tot.

© dpa/Thomas Schulze

Zum Tod von Harry Belafonte: Der Kämpfer mit der sonnigen Stimme

Filmstar, Calypso-König und Menschenrechtsaktivist – Harry Belafonte hat die Menschen in vielen Rollen bewegt. Jetzt ist der US-Amerikaner mit 96 Jahren gestorben.

Ein kalter Februarmorgen des Jahres 2011, in Berlin tanzen Schneeflocken durch die Luft. Harry Belafonte ist in der Stadt, um eine Dokumentation über sein Leben auf der Berlinale vorzustellen, und sitzt im Foyer des Hotel Adlon. Fünf Minuten dürfe man mit dem Star sprechen, hatte es vom Management geheißen, 15 wurden es schließlich.

Mit sanfter Stimme und wachem Geist erinnert sich Belafonte an seinen ersten Auftritt in Berlin, 1957 war das. „Ich hatte Vorurteile über die Deutschen. Doch als ich anfing zu singen, und die Leute sangen mit mir, fühlte ich etwas wie Großherzigkeit.“ Das habe seine Wahrnehmung von Deutschland verändert.

Auch an einen weiteren denkwürdigen Auftritt in der Stadt erinnert er sich genau: 1983 spielte er im Palast der Republik, mit dabei: Panik-Rocker Udo Lindenberg, dessen Erscheinen Belafonte zur Bedingung für sein Kommen gemacht hatte. Ein Schock für die DDR-Funktionäre, aber sie ließen sich darauf ein.

Udo hatte diesen tollen Song über Honecker. Das war ein perfektes Statement.

Harry Belafonte

„Udo hatte diesen tollen Song über Honecker. Das war ein perfektes Statement“, erzählt der damals 83-jährige Sänger und Schauspieler, der allerdings damals schon lange in die Rolle des Menschenrechtsaktivisten gewechselt ist.

Geboren am 1. März 1927 in Harlem als Sohn karibischer Eltern, verbrachte er seine Jugend größtenteils bei seiner Großmutter auf Jamaika. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs holte ihn die Mutter zurück nach New York. Statt die High School zu beenden, ging Belafonte, dessen Vorname eigentlich Harold George lautet, zur Navy, wo er als Munitionslader eingesetzt war. Zurück in New York arbeitete er in verschiedenen Jobs und entdeckte durch Zufall – jemand hatte ihm ein Ticket geschenkt – seine Liebe zum Theater.

Er wäre gerne „der erste schwarze Hamlet“ gewesen

Er begann, an einem Schwarzen-Theater in Harlem zu arbeiten, erst hinter, dann auf der Bühne, genau wie Sidney Poitier, der zu seinem lebenslangen Freund wurde. Belafonte nahm Schauspielunterricht bei Erwin Piscator, zu seinen Mitschülern gehörten unter anderem Marlon Brando, Walter Matthau und Tony Curtis. Seinen ersten Erfolg feierte Belafonte, der einmal sagte, dass er gern „der erste schwarze Hamlet“ gewesen wäre, in einer Revue, bald folgten Kinorollen.

So spielte er 1954 in Otto Premingers afro-amerikanisch besetzter Carmen-Adaption „Carmen Jones“ mit und 1957 in Robert Rossens „Island in the Sun“, in dem er einen jungen Aktivisten auf einer unter britischer Kolonialherrschaft stehenden Karibikinsel verkörperte. „Gleichberechtigung ist, was wir wollen“, sagt er in einer Szene zu einem weißen Arzt.

Die Rolle war wie geschaffen für Harry Belafonte, der auch den wunderschönen Titelsong sang. Denn etwa zur selben Zeit begann er, sich in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung zu engagieren, deren zentrale Forderung Gleichberechtigung war.

Der „Banana Boat Song“ wurde zum Riesenhit

Seit 1954 bei RCA unter Vertrag schritt Belafontes Gesangskarriere bald schneller voran als sein Aufstieg als Schauspieler. Mit seinem zweiten Album „Calypso“ (1956) hängte er sogar Elvis in den Charts ab und verkaufte als erster Sänger eine Million Platten. Der „Banana Boat Song“, mit dem markanten „Day-oh, dayyy-oh“-Auftakt wurde zu seinem Riesenhit und seinem bekanntesten Lied überhaupt. Eigentlich ein Klagesong von Hafenarbeitern, die das Ende ihrer Schicht herbeisehnen, gehört er heute absurderweise zum Einheiz-Repertoire in Sportarenen.

Die Schauspieler Harry Belafonte (l-r), Bill Cosby und Sidney Poitier (Aufnahme von Anfang der 70er Jahre).
Die Schauspieler Harry Belafonte (l-r), Bill Cosby und Sidney Poitier (Aufnahme von Anfang der 70er Jahre).

© dpa/UPI

Harry Belafonte löste damals einen Calypso-Boom aus und wurde selbst zum König des Genres. Mit seiner sanften Stimme und den munter-schunkelnden Songs traf er einen Nerv. Von Mitte der Fünfziger bis Anfang der Sechziger stand er im Zenit seiner Karriere, das 1959 eingespielte Album „Belafonte At Carnegie Hall“ hielt sich drei Jahre in den Charts. Ähnlich gut kam ein Jahr später „Belafonte Returns To Carnegie Hall“ an, bei dem er auch Duette mit Miriam Makeba und Odetta sang.

Der in Armut aufgewachsene Belafonte sprach ein breites Publikum an, Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen hören seine Musik. Dass diese Popularität sich auch politisch nutzen ließ, erkannte Bürgerrechtsaktivist Martin Luther King, der Belafonte bei einem ersten Treffen tief beeindruckte. Und so unterstützte der Star den Geistlichen fortan, war 1963 beim Marsch auf Washington dabei, setzt sich unermüdlich gegen Rassentrennung und für Gleichberechtigung ein.

Mitte der achtziger Jahre gehörte Belafonte zu den Organisatoren der Hilfsaktion „We are the World“ für die Opfer einer Hungersnot in Äthiopien, er war jahrelang Unicef-Botschafter und engagierte sich mit seiner NGO Sankofa für soziale Gerechtigkeit. Gesungen hat er seit Jahrzehnten nur noch für seine Frau, jetzt ist der King of Calypso für immer verstummt. Am Dienstag ist Harry Belafonte mit 96 Jahren in New York gestorben.

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