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Außenseiter. Knut (r.) musste schon einiges verkraften. Als Jungtier den Tod seines Pflegers, die forsche Gefährtin Giovanna – und nun angriffslustige Altbärinnen.

© Guenter Peters

Berliner Zoo: Knut hat es nicht mehr gut

Eisbär Knut wird in seinem neuen Domizil von den drei großen Bärinnen gebissen. Stundenlang kauert er auf einem Felsvorsprung. Selbst treue Fans ertragen den Anblick nicht mehr. Ein Video zeigt das Leiden des einsamen Bären.

Die Zoobesucher wenden sich entsetzt ab, und Kinder fragen traurig: „Warum beißen denn die großen Bären den Knut?“ Gerade hat die kräftige Eisbärin Katjuscha den Publikumsliebling angefallen, ihm in den Nacken gebissen, und Knut stürzt vor Schreck rückwärts ins Wasser. Als er wieder an Land klettert, sich berappelt und in eine andere Richtung davon schleicht, preschen wiederum die großen Weibchen Nancy und sein Muttertier Tosca bedrohlich auf ihn zu – und Knut muss sich schon wieder wegducken. Diese Szene aus dem Zoo Berlin wird über Youtube verbreitet, und Knutfans aus aller Welt reagieren besorgt auch auf Fotos auf der tagesaktuellen Knut-Internetseite von Bärenfans.

Zahlreiche Anruferinnen schilderten gestern dem Tagesspiegel, dass Knut – bei der Berlinale einst noch als Klimaschutzsymboltier gefeiert und immer noch als KPM-Figur Staatsgästen als Berlin-Souvenir mitgegeben – nur noch auf einem kleinen Felsvorsprung kauere. Stundenlang hockt er dort verängstigt, ohne sich von der Stelle zu bewegen. „Wir sind nicht hysterisch, aber wir machen uns große Sorgen“, sagt Birke Tonnemacher-Schwoerer. Die Charlottenburger Künstlerin hat Knut schon als Jungtier gemalt, als Besucher und Medienvertreter aus aller Welt zu Zehntausenden anstanden, um Pfleger Thomas Dörflein und Knut zu beobachten. „Ich kann das nicht mitansehen, mir tut das Tier so leid, ich gehe nicht mehr in den Zoo. Wenn nichts passiert, endet Knut noch mit Verhaltensstörungen oder stirbt uns weg. Wäre er bei seinem Sturz auf Felsen gefallen, hätte er sich das Genick brechen können“, sagt Gerlinde Sperber, 69, aus Pankow.

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Auch Peta, die Tierrechtsorganisation, schlägt naturgemäß Alarm. Und die Süddeutsche Zeitung verhöhnte den Hauptstadtzoo gerade mit einem großen Bericht und der Schlagzeile „Berlin – ein Tierversuch“. Wenn sich Zoostammgäste in Sorge an die Pfleger wenden, reagierten diese zynisch oder unsensibel, schildern Mitglieder von „Knut forever in Berlin“. Dabei hätte der Zoo doch dank zufriedener Tiere auch zufriedene Besucher, halten die beunruhigten Knut-Freunde dem Zoo entgegen.

„Man kommt sich schon vor wie bei ,Täglich grüßt das Murmeltier‘“, sagt FDP-Politiker Mirco Dragowski. Berliner sorgen sich um ihren Zoo, und an der Zooleitung pralle das völlig ab: „Die Zoo-Vorstände berufen sich immer auf ihre drei Millionen Besucher und sehen keinerlei Handlungsbedarf.“ Dabei sei es völlig unverständlich, warum der neue Zoo-Internetauftritt angesichts der vielen internationalen Gäste nur deutschsprachig sei, warum es immer noch kein mehrsprachiges Besucherleitsystem gebe, warum „zeitgemäße Zookonzepte, die auf Enrichment setzen, ausgerechnet im artenreichsten Zoo der Welt fehlen.“ Der englische Fachbegriff Enrichment steht für lehrreiche Beschäftigung, um das Dasein auf wenig Quadratmetern erträglicher zu machen, damit die Tiere keine Stereotypien entwickeln.

Knut und die drei Bärinnen haben nichts als nackten Felsen. Knuts extra aus Australien – von Zoobesuchern selbst bestelltes und dem Zoo geschenktes – Bärenspielzeug dümpelt im trüben Wassergraben von Knuts altem Gehege. Seine Bälle und Kugeln und Stricke kann man noch sehen: auf Fotos. Es sei „eine helle Freude“ gewesen, dem verspielten Eisbären in seinem alten Gehege zuzuschauen, sagen Besucher. Doch nun werde er von den drei alten Bärinnen als Eindringling gejagt. Und vor dem Gehege stehen die Leute und erzählen sich, wie abwechslungsreich das neue Hellabrunner Eisbärengehege in München gestaltet sei, wie intensiv die Pfleger Knuts Vatertier Lars in Wuppertal beschäftigten. Wie schön man die Eisbären in Hannover im Themenpark „Yukon Bay“ durch eine Scheibe beobachten könne. „Und in Berlin wird jeglicher kreativer Ansatz mit dem Totschlagsargument ,Wir wollen kein Disneyland‘ zunichte gemacht“, sagt FDP-Politiker Dragowski. Tierarzt André Schüle sagte gestern, Knut ginge es gut, er sei auch nicht untergewichtig, wie behauptet werde.

Peter Drüwa, Ex-Zoochef vom Tierpark Neumünster, dem der Zoo Knut für 430 000 Euro abgekauft hat, sagt, es würde einem Jungbären guttun, wenn er von älteren Bärinnen erzogen werde, dann würde er später bei der Paarung den nötigen Respekt wahren. „Aber selbst das könnte man dann den Besuchern auf wenigstens einer Multimediatafel erklären“, sagt Dragowski. Die Besucher wünschen sich eine junge Bärin für Knut. Doch der Eisbärenzuchtmarkt ist so gut wie leergefegt, andere Zoos haben sich längst junge Weibchen gesichert. Sogar einen Eisbären-Schwarzmarkt gibt es schon. Der Knut-Hype hat dazu geführt, dass alle Zoos Eisbären als Publikumsmagneten zeigen wollen. Der Eisbär ist damit Opfer seines eigenen Erfolgs geworden.

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