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...und er kommentiert bei Länderspiel-Übertragungen im Ersten.

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Aufm Platz oder neben dem Platz?: Mehmet Scholl muss sich entscheiden

Bayern-Trainer oder ARD-Experte: Uli Hoeneß hat Mehmet Scholl vor eine Entscheidung gestellt. Wenn er weiterhin das Amt des Trainers der Amateurmannschaft bei den Bayern ausüben wolle, könne er seinen Vertrag bei der ARD als Experte nicht verlängern.

Was des Kaisers ist, ist auch nur des Kaisers. Will sagen: Franz Beckenbauer, der nicht weiter vorgestellt werden muss, durfte jahrelang, jahrzehntelang in Doppelfunktion tätig sein, sogar in Dreifachfunktion. Er war Angestellter des FC Bayern München und dessen Präsident, und er war gleichzeitig auch Kolumnist der „Bild“ und Experte im Fernsehen. Es hat sich niemand daran gestört, dass einer von Haus aus Partei ergreift und im Fernsehen den objektiven Fachmann mimt. Das mag daran liegen, dass Beckenbauer, auch „Firlefranz“ genannt, ohnehin plappert, was ihm in den Sinn kommt, es egal war und ist, was er sagt. Es nimmt sowieso keiner für bare Münze.

Das aber ist nun anders. Also nicht das Plappern des Beckenbauer, das bleibt, das ändert sich nicht mehr. Uli Hoeneß hat eingegriffen, der heutige Präsident des immer noch wichtigsten Fußballvereins hierzulande, und hat Mehmet Scholl vor eine Entscheidung gestellt: Wenn er weiterhin das Amt des Trainers der Amateurmannschaft bei den Bayern ausüben wolle, könne er seinen Vertrag bei der ARD als Experte nicht verlängern. Bis 2014 sei das kein Problem, da stehen keine wichtigen Länderspiele an. Danach aber muss Schluss sein, beide Aufgaben zusammen gehen nicht, geht, s. o., nur bei Kaisers.

Das leuchtet grundsätzlich ein. Um einen Vergleich zu bemühen: Es ist sicher auch nicht statthaft, wenn ein Journalist Mitglied, sagen wir, der FDP (wo Gott und der Verstand vor sein mögen) und gleichzeitig auch deren journalistischer Begleiter ist und den Anspruch auf Objektivität erhebt. Mehmet Scholl könnte dann auch ins Dilemma kommen, wenn er als Angestellter des FC Bayern bei der Kommentierung der Nationalmannschaft Angestellte des FC Bayern kritisieren müsste.

Eine schwierige Entscheidung, die Scholl also bald treffen muss? Es wäre überraschend, wenn sich Scholl gegen den Trainerjob aussprechen würde. Den hat er schon einmal ausgeübt, nicht wirklich erfolgreich (O-Ton Scholl: „Als Trainer bin ich ja eher die Wurst.“), aber ausbaufähig. Sicherlich ist der Trainerjob der unbequemere, der unsicherere. Das Expertentum im Fernsehen kommt eher der Verbeamtung gleich. Eine Ablösung oder Auflösung der zum Teil hoch lukrativen Verträge wegen nachgewiesener Unfähigkeit oder gar wegen Dummschwatz ist nicht zu erwarten. Anderenfalls wären Experten wie Stefan Effenberg, Lothar Matthäus und Oliver Kahn längst keine mehr.

Scholls Abschied wäre ein Verlust - für die ARD und vor allem die Zuschauer

Aufm Platz und neben dem Platz. Mehmet Scholl ist Übungsleiter bei den Bayern-Amateuren...
Aufm Platz und neben dem Platz. Mehmet Scholl ist Übungsleiter bei den Bayern-Amateuren...

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Scholl hingegen macht seine Sache gut, sehr gut sogar, nicht wichtigtuerisch auf einem Inselchen vor Usedom, oh Olli, nicht zum Fremdschämen in irgendeinem Stadion der Welt, wie der Mann mit dem Stinkefinger, oh Effe, und auch nicht effekthascherisch wie der fränkische Dauerhochzeiter und König des Spiegeleis, oh Loddar. Scholl ist witzig, sprachgewandt, ironisch, selbstironisch vor allem und kenntnisreich. Sein Bekenntnis für die andere Seite der Barriere, also seine Entscheidung für die Trainerbank und gegen das Fernsehstudio, wäre ein Verlust. Nicht für ihn, sondern für die ARD und vor allem die Zuschauer.

Sofern der Verlust eines Fußball-Experten grundsätzlich ein Verlust ist. Gewiss hat Günter Netzer viel Spaß bereitet, und das über viele Jahre, aber wirklich als Fußball-Sachverständiger? Oder doch eher hauptsächlich im Dauerclinch mit Moderator Gerhard Delling. Auch hatte Matthias Sammer, als er noch Experte war und nicht Sportdirektor beim FC Bayern München, mitunter Dinge zu sagen gewusst, die nicht jeder halbwegs interessierte Fußball-Fan selber so deutlich gesehen hat.

Aber das sind rare Momente. Und als Bundestrainer Jogi Löw das Halbfinale der Europameisterschaft gegen Italien mit einer verhuschten Taktik gewinnen wollte, da haben die engagierten Experten geschwiegen. Wahrscheinlich nicht, weil sie es nicht besser wussten, sondern weil sie sich keinen Ärger einhandeln wollten. Was aber bringt dann ein Experte, wenn er sein Expertentum nicht offen aussprechen mag oder kann?

Mehmet Scholl hätte es gekonnt, hat es auch getan, etwa, als er sich bei der EM – durchaus originell – um die wund gelegenen Hautpartien des arg unbeweglichen Mario Gomez sorgte. Er hat es in der Folge immer wieder getan, sehr zum Amüsement der Zuschauer. Aber all das nur als unabhängiger Mensch, einer der nicht im angestellten und damit abhängigen Verhältnis steht zu einer Partei, deren Brot er isst und deren Lied er singt. Da hat Hoeneß schon recht. Denn die Rolle des lustigen Opportunisten im deutschen Fußball ist schon besetzt, höchstkaiserlich nämlich.

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