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© Remix: Marcus Viefeld

Wahlplakate-Satire: Schäuble im Remixer

Dank eines "Remix-Generators" kann jeder CDU-Wahlplakate verfremden. Die Fotografin ist verärgert, die CDU selbst schweigt dazu. Was nicht unbedingt klug ist. Eine Analyse.

Das Internet wird unser Rechtsverständnis verändern. Ob uns das gefällt, oder nicht. Zu leicht lassen sich digitale Inhalte übernehmen oder verfremden. Die Frage ist, wie sich die Rechte ändern werden und ob es unsere Kultur bereichert oder ärmer macht. Die CDU, die postuliert, das Netz müsse reguliert werden, verpasst gerade eine Chance, diese wichtige Frage zu diskutieren. Dabei geht es um ihre eigenen Wahlplakate.

Der Blogger Markus Beckedahl hatte im Netz dazu aufgerufen, diese zu verfremden und den Wahlkampf der Union so satirisch zu kommentieren. Ziel war ein Plakat mit Innenminister Wolfgang Schäuble, einem der Lieblingsfeinde der Netzaktivistenszene. Dank eines "Remix-Generators" kann jeder es bearbeiten und die Slogans dazu ändern.

Daraufhin beschwerte sich Laurence Chaperon, die Fotografin des von der CDU verwendeten Bildes per Mail. Das Motiv sei nur für die CDU lizenziert und nicht für "Wettbewerbe" und "Diffamierung" freigegeben. Sie sieht durch satirische Veränderungen des CDU-Slogans ihre Kunst verunglimpft.

Die Fotografin und der Blogger haben sich inzwischen geeinigt. Chaperon sagte "Zeit Online": "Das Ganze ist erledigt, ich werde nicht klagen. Herr Beckedahl hat sich entschuldigt und sich sehr korrekt verhalten." In der Sache aber ist der Streit nicht entschieden. Chaperon sagt, sie habe keine Zeit für eine Klage, richtig finde sie die Verfremdungen deswegen aber nicht. "Ich glaube nicht, dass er das darf. Er glaubt, er darf es. Er hat seine Meinung, ich eine andere. Die Leute müssen selbst wissen, ob sie es vertreten können."

Beckedahl glaubt, dass es rechtlich in Ordnung ist, was er macht. In seinem Blog schreibt er: "Der schwarze Peter liegt bei der CDU. Auf ihrer Webseite steht ganz klar bei den Plakat-Motiven: 'Die Bilder dürfen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung über die CDU-Bundestagswahlkampagne 2009 genutzt werden. Die Nutzung ist bis zum 31.12.2009 honorarfrei. (...)'" Es müsse doch offensichtlich sein, so Beckedahl, dass der Remix-Wettbewerb "im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung im Bundestagswahlkampf 2009 stattgefunden hat". Daher gehe er davon aus, "dass die Aktionen im Rahmen der von der CDU eingeräumten Nutzungsbedingungen" passiert seien.

Unterstützung bekommt er dabei von dem bloggenden Anwalt Udo Vetter. Der schreibt in seinem Lawblog, die Fotografin läge falsch. "Sie kann die Löschung nicht verlangen." Das Plakat selbst sei ein eigenständiges Werk, wenn sich jemand dafür einsetzen müsse, dann die CDU. Das samplen von solchem für die Berichterstattung veröffentlichtem Pressematerial aber sei rechtlich völlig korrekt.

Trotzdem wäre es eine schöne Möglichkeit, politisch zu diskutieren, wie viel Remix erlaubt ist und erlaubt sein sollte. Gerade weil wohl keine Verletzung bestehender Rechte vorliegt. Immerhin schreibt die CDU in ihrem Wahlprogramm: "Die Digitalisierung und das Internet stellen Kultur und Medien vor grundlegende Herausforderungen. Wir wollen diesen Innovationsschub in Deutschland unterstützen. Er muss so gestaltet werden, dass neben der Vielfalt und der Qualität der Medien auch das Bewusstsein für den Wert kultureller Leistungen gestärkt wird."

Die CDU aber hält sich aus dem Streit heraus. Die offizielle Antwort lautet: "Das kommentieren wir nicht." In Wahlkampfzeiten, meint das wohl, gehören Veränderungen der Plakate nun einmal dazu.

Einerseits ist das sicher nicht dumm, würde Kritik doch nur weitere Satire provozieren und schnell unsouverän wirken. Auch gegen die "Schäublone", die Verunglimpfung Schäubles als Oberzensor, ist die CDU nie vorgegangen, obwohl der Innenminister nach eigenem Bekunden über sie gar nicht glücklich ist.

Andererseits aber lässt die Partei die Fotografin so mit ihrer Haltung allein. Und sie ignoriert die Chance, politisch zu debattieren, wie viel Verfremdung im Internet verfügbarer Inhalte in Ordnung ist und ob nicht auch eine solche Verfremdung eine kulturelle Leistung darstellt, die gestärkt werden sollte.

So wie es der amerikanische Rechtsprofessor und Netzaktivist Lawrence Lessig schon lange fordert. Remixe, postuliert er, müssten als Teil der Kultur akzeptiert und gefördert werden, seien sie doch der Motor jeden Fortschritts. Oder, wie Kurt Tucholsky alias Ignaz Wrobel einst schrieb: "Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht." Doch sollten wir nicht so kleinlich sein und nicht gekränkt das Haupt wenden, heißt es bei Tucholsky weiter. "Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen."

Quelle: ZEIT ONLINE

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