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Merkel

© dpa

Fernsehkritik: Mensch, Frau Merkel

Die Bundeskanzlerin zu Gast bei Sandra Maischberger: Frau Merkel, wie war das damals eigentlich in der DDR? Offenherzig über ihr Leben in der DDR und über die Wurzeln der neuen Bundesrepublik hätte in der Talkshow geredet werden können. Doch diese Lücke bleibt.

Nach einer Viertelstunde fiel das U-Wort. Angela Merkel sitzt in einem gesamtdeutschen Fernsehstudio und erzählt von der Deutschen Demokratischen Republik, die weder deutsch sein wollte noch demokratisch war und erst recht keine Republik. Die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland sagt das U-Wort nicht; sie bezeichnet die DDR nicht als Unrechtsstaat. Angela Merkel sagt: „Die DDR war auf Unrecht gebaut, und damit konnte sie kein Rechtsstaat mehr werden.“

Mit diesem Satz hatte die Fernsehsendung „Menschen bei Maischberger“ eigentlich ihren öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag erfüllt. Aber es ging noch ein wenig weiter um die Frage: Mensch, Frau Merkel, wie war das damals eigentlich in der DDR?

Ich war in der FDJ. Ich konnte als Kind die Politbüromitglieder auswendig. Die Antworten, die Frau Merkel am Dienstagabend einer anfangs noch neugierigen Frau Maischberger gab, sind in jedem Archiv der Bundesrepublik Deutschland nachzulesen. Aber wann hat die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland schon mal offenherzig über ihr Leben in der DDR geredet?

Diese Lücke hätte die Sendung füllen können. Hätte.

Sieben Jahre jung war sie beim Mauerbau, nach der Schule wurde sie lieber Physikerin als Politbüromitglied („Da war die Wahrheit nicht so leicht zu biegen.“) und jetzt – 20 Jahre, nach denen eigentlich alles vorbei sein sollte - muss sie sich endlich öffentlich mit der DDR und dem U-Wort auseinandersetzen. Weil sie nicht nur die erste Frau im Kanzleramt ist und nicht nur eine kluge Physikerin der Macht, sondern, ach ja, weil sie die erste Ostdeutsche ist, die an der Spitze des vereinten Landes angekommen ist. Angekommen scheint.

Die neue Bundesrepublik, die neue Bundeskanzlerin – worauf wurzeln sie eigentlich? Darüber hätten Frau Maischberger und Frau Merkel reden können, reden sollen. Stattdessen wurde das Zwiegespräch abrupt beendet - und die Sendung ging weiter mit einer nächsten sinnlosen Runde im Talkshowgewitter. Gregor Gysi und Guido Knopp durften auftreten und darüber palavern, was aus Deutschland gespalten Vaterland geworden ist. Angela Merkel war da längst ausgeblendet, einfach weg wie die DDR. Einer Diskussion wollte sie sich offensichtlich nicht stellen.

Sandra Maischberger hat das geschehen lassen. So hat sie den Zuschauer um Antworten gebracht und ihre Sendung selbst entwertet.

Wann wird über das Ostdeutsche an der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland geredet, wann wird Angela Merkel einmal ernsthaft nach ihrem Leben in der DDR befragt? Diese Lücke bleibt.

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