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Style-Leben. Friedrich Liechtenstein träumt an der von Arne Jacobsen in den 1930er Jahren designten Tankstelle in Skovshoved.

© ZDF/Konrad Waldmann

Interview mit Friedrich Liechtenstein: „Ich verstöre die Leute, damit sie zu sich kommen“

Ein Interview als Live-Performance: Friedrich Liechtenstein über sein Arte-Projekt „Tankstellen des Glücks“, Hans-Holger Friedrich und goldene Zeppeline.

Herr Liechtenstein, sagt Ihnen der Name Angelika Förster etwas?

Ich habe ein ganz schlechtes Namensgedächtnis. Aber wenn Sie vielleicht ein Foto von der Dame hätten?

Leider nein. Aber vielleicht kennen Sie ja das Bindungshormon Oxytocin?

Das kenne ich. Und ich weiß, dass es funktioniert. Ich hab’s am eigenen Körper erlebt. Es entsteht durch Liebe.

Oxytocin soll Menschen einfühlsamer und zuversichtlicher machen und unser Vertrauen in Beziehungen stärken. Hört sich an wie eine Wunderdroge. Das hat jedenfalls Frau Förster in ihrem Buch „Glückstankstellen“ geschrieben. Haben Sie sich den Titel Ihrer Arte-Serie von der Dame, sagen wir, ausgeliehen?

Da kann das Internet weiterhelfen. Google weiß, dass ich seit dem Jahr 2000 mit diesem Begriff operiere.

Sie haben einen so schönen Satz gesagt, dass wir ihn gar nicht glauben können: Alle anderen brauchen Geld, nur ich nicht. Das klingt zu schön, um wahr zu sein.

Aber ich brauche wirklich kein Geld. Ich könnte auch ohne etwas zu bezahlen wohnen, essen und trinken. Wenn derjenige, der mir etwas bringt, kein Geld von mir wollte, dann müsste ich auch nicht bezahlen. Wir könnten’s doch mal mit Tauschen versuchen, das liefe dann auf Kommunismus, aber ohne Geld, heraus. Eine Idee aus meiner Jugendzeit, wenn auch nicht von mir.

Das war in Eisenhüttenstadt. Eine schlimme Zeit?

Ich erzähle erst seit etwa zehn Jahren von meiner Kindheit in dieser Idealstadt des Kommunismus. Es gab alles, wir hatten sogar eine Sprungschanze. Meine schönste Zeit war bis sieben, danach wurde es immer schlimmer. Aber die Zeit in Eisenhüttenstadt hat mich geprägt. Wo ich bin, versuche ich immer eine rosarote Harmonie-Stimmung herzustellen.

Gab es in Eisenhüttenstadt auch schöne Tankstellen?

In der Maxim-Gorki-Straße, in der wir wohnten, gab es damals nur zwei Autos: Das eine gehörte meinem Vater. Und es gab eine Tankstelle, die immer so schön nach Benzin roch: der Geruch von Reisen und Abenteuer. Ich habe auf meinen Reisen zu den schönsten Tankstellen eine Wissenschaftlerin getroffen, die mir sagte, dass der Benzingeruch bei den meisten Menschen positiv besetzt ist. Noch vor Rosenduft. Die Leute lieben den Geruch von Benzin.

Benzin und frischer Teer, die ideale Mischung.

Ja, dieser Geruch des Sommers. Perfekt.

Vor 16 Jahren fiel Ihnen die Tankstellen-Serie ein. Wie konnte das passieren?

Damals habe ich zum ersten Mal den Film „Les parapluies de Cherbourg“ gesehen, ein Musikfilm mit Catherine Deneuve aus dem Jahr 1964, in dem sämtliche Dialoge gesungen wurden. Der männliche Protagonist träumt von einer Tankstelle und bekommt sie am Ende auch. Und seine geliebte Frau dazu. Und die Kamera schwebt am Ende über der Tankstelle, die Geigen spielen, und ich dachte: Tankstellen des Glücks! Seitdem habe ich mich immer wieder mit dem Thema beschäftigt, Theaterstücke verfasst, die nie aufgeführt wurden – und dann kam Arte.

Und ....

...fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, etwas für sie zu machen. Ich habe gesagt: Tankstellen. Es gab dann eine kurze Phase der Irritation, aber nach ein paar Gläschen Champagner waren wir uns einig und die Begeisterung groß.

Rat an alle, die etwas quere Themen verwirklichen wollen: Zu Arte gehen und den Champagner nicht vergessen!

Ich bezweifle, dass das in jedem Fall hilft. Das Thema muss schon gut sein, sonst wird das nichts.

16 Jahre gewartet: Sie sind ja unfassbar geduldig.

Ich bin Steinbock. Steinböcken wird nachgesagt, zäh zu sein. Mit dieser Sturheit habe ich mir aber auch oft selbst im Weg gestanden. Das hat manche, die mir nahe stehen, an den Rand der Verzweiflung getrieben.

Woher kommt das Beharrungsvermögen?

Ich glaube, das hängt mit meiner Geburt zusammen, die dramatisch verlief, aber gut ausging. Ich habe in mir einen großen Optimismus, der mich auch in der größten Katastrophe denken lässt, nee, nee, das wird schon gut ausgehen.

Wie sieht’s mit Erfolgen aus? Mögen Sie es, erfolgreich zu sein?

Ich bin verliebt in den Erfolg und kann nicht klagen. Als Koch habe ich Auszeichnungen bekommen, als Puppenspieler auch, also ich weiß, was Erfolg ist. Aber ich habe auch Zeiten erlebt, in denen es nicht so gut lief. Da muss man durch. Und Ideen haben.

Und Friedrich Liechtenstein erblickte das Licht der Welt!

Eine Idee von meinem Sohn, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Die Leute glauben oft, Friedrich Liechtenstein sei eine reine Kunstfigur und alles frei erfunden, was mit ihr zu tun hat. Aber es gibt immer eine innere poetische Stringenz. Alle meine Texte haben eine Bedeutung. Friedrich Liechtenstein ist wie ein goldener Zeppelin.

Sie neigen zu Größenwahn.

Wir drei wissen ja, dass Allmachtsfantasien Ausdruck von Ohnmacht sind.

Kann man sagen, dass Hans-Holger Friedrich und Friedrich Liechtenstein gut miteinander befreundet sind?

Schon, nur gibt es diesen Hans-Holger nicht mehr. Ich erschrecke mich immer, wenn mich jemand anspricht, der mich noch aus meiner Zeit als Hans-Holger kennt.

Sind Sie ein Irritationskünstler?

Ich bin das Gefäß für die Wünsche der unglaublichsten Leute. Die Leute, die mich sehen, denken alles Mögliche über mich, sie glauben zu wissen, wer ich bin. Wenn sie dann merken, der ist ja ganz anders, als ich dachte, dann kann der Prozess beginnen, den ich auslösen will. Ich freue mich darüber, wenn die Leute irgendetwas über mich denken. Gut oder schlecht, das ist egal. Ich verstöre die Leute, damit sie am Ende zu sich kommen.

Wer ist denn der wahre Friedrich Liechtenstein?

Das muss man erleben. Und das kann man nur erleben. Aufschreiben kann man es jedenfalls nicht. Wenn sich Künstler und Publikum in diesem Luftraum begegnen, dann hat das auch mit Wahrheit zu tun. Aber meine Hauptaufgabe als Performer ist es zurzeit, Interviews zu geben.

Wir erleben also gerade eine Live-Performance?

So ist es. Und ich mache es gerne. Weil es mir die Gelegenheit gibt, meinen Liechtenstein immer wieder neu zu definieren.

Zurück zum Glück: Was zeichnet die schönsten Tankstellen aus?

Tankstellen können Oasen sein. Sie können wie Theatertableaus sein, die Tankstelle als Bühne. Und sie sind ein Versprechen: ein Versprechen grenzenloser Freiheit, das mit einem vollgetankten Auto verbunden ist.

Tankstellen sind doch eigentlich ganz normale Orte des Alltäglichen.

Das mag sein. Aber ich neige dazu, das Profane zu feiern. Seichte Popmusik ist auch profan und verpönt, aber ich liebe seichte Popmusik. Joseph Beuys hat gesagt, es gibt nichts Neues, es gibt nur die Profanisierung des Erhabenen und die Evaluierung des Profanen. Das gefällt mir sehr. Weil ich mich im Kern als profan empfinde, aber natürlich liebend gerne groß und glänzend wäre.

Sind Sie ein Romantiker, auf der Suche nach den verlorenen Tankstellen?

Ich finde Tankstellen total romantisch. Jeder verbindet doch irgendein Erlebnis mit Tankstellen. Und seien es Abenteuer aus der Jugendzeit. Tankstellen, so hässlich sie manchmal auch sind, können romantische Gefühle hervorrufen. Nicht nur brennende Kerzen am Abend und griechische Sonnenuntergänge sind voller Romantik, auch Tankstellen. Vor allem, weil sie immer weniger werden. Und alles, was verschwindet, wird früher oder später ein Opfer der Romantik.

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„Tankstellen des Glücks“, Arte, Montag, zehn Folgen ab 11 Uhr 30; anschließend Dokus und Filme im Arte-Thementag „Tankstellen-Träume“, darunter „Die Drei von der Tankstelle“, 17 Uhr 35; „Route 55: Im Herzen Amerikas“, 19 Uhr 30; „Shell“, 0 Uhr 40

Geboren als Hans-Holger Friedrich in Eisenhüttenstadt und um die 59 Jahre alt, arbeitet Friedrich Liechtenstein seit 2003 als Performer, supergeiler Werbeheld, Musiker – und als Kunstwerk.

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