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Besser als Community? Stern.de lagert seine Kommentare ins soziale Netzwerk aus - aber auch nur auf Zeit.

© dpa

Leserdebatte: Facebook statt Community? Klarnamen statt Nicknames?

Warum Stern.de Kommentare zu Facebook verlagert, was andere Portale zu User-Feedback und Nicknames sagen - und natürlich: Was Sie, liebe Tagesspiegel-Community, zu dem Thema meinen. Diskutieren Sie mit!

Frank Thomsen reichte es. Nachdem seine Community-Manager „täglich einige Dutzend problematische Kommentare“ unter den Artikeln auf Stern.de löschen mussten, hat der Chefredakteur des Nachrichtenportals einen radikalen Schritt gewagt. Er hat die Kommentarfunktion ausgelagert und Stern.de zur diskussionsfreien Zone gemacht.

„Der Aufwand, die wirren Geister zu bändigen, die unsere vernünftigen Leser zunehmend verschreckt haben, stand in keinem Verhältnis mehr zum Qualitätsgewinn durch die Kommentarfunktion“, sagt Thomsen. Seit August können die Leser Artikel von Stern.de nur noch im sozialen Netzwerk Facebook kommentieren. „Die fünf bewegendsten Artikel“ postet die Online-Redaktion dort, auf Stern.de versieht sie diese Texte mit einem Hinweis auf die Facebook-Diskussion. Nach einem Monat zeichnen sich folgende Effekte ab: Die Nutzerzahlen auf Stern.de seien nicht negativ beeinflusst worden, aber die Qualität der Kommentare habe sich enorm verbessert, sagt Thomsen. „Es wird auch kontrovers gestritten, aber mit einer viel besseren Diskussionskultur.“

Das rührt wohl daher, dass viele Mitglieder des sozialen Netzwerks nicht anonym, sondern unter ihren richtigen Namen angemeldet sind. Posten sie etwas, können das all ihre Freunde sehen. Die Hemmschwelle, Artikelkommentare mit extremen und wenig sachlichen Ansichten zu schreiben, wächst.

Aber wenn das Problem die Anonymität ist, unter deren Deckmantel die User lauthals schimpfen, ist Facebook wirklich die Lösung? Zahlreiche Stern.de-Leser sind dort nicht registriert, und das bloße Auslagern der Kommentare wird dem Anspruch moderner Online-Kommunikation nicht gerecht. Die „Badische Zeitung“ hat gute Erfahrungen mit einem anderen Ansatz gemacht. Seit einigen Monaten kann auf badische-zeitung.de nur noch der kommentieren, wer sich mit einem Klarnamen registriert. Seither hat sich die Qualität der Beiträge deutlich verbessert.

Auch auf Stern.de soll bald wieder ein Dialog mit den Lesern stattfinden. Thomsen hofft, die Kommentarfunktion nächstes Jahr wieder einschalten zu können. Noch ist unklar, ob Klarnamen gefordert werden, und wenn ja, wie aufwendig das Registrierungsverfahren sein müsste. Dieser „gigantische“ Aufwand halte bisher auch noch Spiegel Online von der Umstellung ab, sagt Chefredakteur Rüdiger Ditz. Das Nachrichtenportal überlegt seit einiger Zeit, dass Leser nicht mehr anonym im Forum Beiträge schreiben können – allerdings nicht wegen der Qualität. „Mit der sind wir eigentlich zufrieden“, sagt Chefredakteur Rüdiger Ditz. Zum einen setze sich jetzt mehr und mehr eine Klarnamen-Kultur durch, während früher im Netz sogenannte Nicknames üblich waren. „Außerdem geht es im Forum darum, Stellung zu beziehen. Deshalb sollten die Leser auch unter ihrem richtigen Namen hinter ihrer Position stehen“, sagt Chefredakteur Ditz.

Derzeit werden alle Beiträge von Redaktionsmitarbeitern geprüft, bevor sie im Forum online gestellt werden. „Gerade bei Themen zu Migration und Islam müssen oft extreme Beiträge aussortiert werden, etwa 20 Prozent“, sagt Forumsmitarbeiter Kai Bonte. Auch auf Facebook können Artikel von Spiegel Online kommentiert werden. „Das Netzwerk ist wie ein riesiger Kiosk, in dem man sich in die Auslage legen kann“, sagt Ditz. So werde versucht, neue Leser auf die Seite zu locken und den Austausch zu verbessern. Zwar ist die Kontrolle der Leser-Kommentare bei Facebook nicht so genau wie auf der Forumsseite, doch auch hier behält sich Spiegel Online vor, Beiträge mit extremen und unsachlichen Inhalten zu löschen. Doch auch Spiegel Online macht hier ähnliche Erfahrungen wie Stern.de, die Beiträge fallen seltener krass aus.

Der Tagesspiegel ist auch auf Facebook vertreten, Community-Manager Atila Altun will aber keine Änderung der Kommentarfunktion auf Tagesspiegel.de. „Der Knackpunkt liegt in der Art der Moderation“, sagt Altun. Er sortiert beleidigende Kommentare aus, bevor sie veröffentlicht werden. „So entstehen erst gar keine unsachlichen Diskussionen.“ Bei Stern.de war jeder Kommentar sofort online gegangen und wurde, wenn nötig, später entfernt.

Christian Helten/Sonja Pohlmann

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