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Über die Datenschutz-Einstellungen in der Systemsteuerung lässt sich die Neugier von Windows 10 eindämmen, doch nicht komplett abschalten.

© Tsp

Microsofts "Abhöranlage": Berliner IT-Firma gewöhnt Windows 10 das Schnüffeln ab

Windows 10 funkt gerne nach Hause. Das geht der Berliner IT-Firma O&O Software zu weit, die dem neuen Microsoft-Betriebssystem mit der Freeware ShutUp10 die Neugier abgewöhnen will.

ShutUp10, so heißt ein Programm, mit dem eine kleine IT-Firma aus Berlin mit 30 Mitarbeitern dem mächtigen US-Konzern Microsoft die Neugier auf die Daten seiner Kunden abgewöhnen will. Der Software-Gigant aus Redmond im US-Bundestaat Washington liefert sein neues Betriebssystem Windows 10 so aus, dass es möglichst viele Daten an Microsoft sendet – im Hintergrund, ohne dass der Nutzer davon etwas mitbekommt. „Ich halte Windows 10 für ein gelungenes Betriebssystem, aber so viele Daten hat noch kein Windows nach Hause gesendet“, sagt Oliver Kehrer, der Mitgründer und Geschäftsführer von O&O-Software aus Berlin. „Wir wollen, dass die Nutzer die Wahlfreiheit haben, welche Daten sie von sich preisgeben wollen“, begründet er die Entwicklung des Anti-Spy-Programms aus Berlin. Unweigerlich muss man dabei an das kleine gallische Dorf aus den Asterix-Comics und seinen Kampf gegen das übermächtige römische Imperium denken.

Wird Windows 10 mit den Expresseinstellungen installiert, sind sämtliche Datenschutzeinstellungen zunächst einmal so eingestellt, dass zwischen dem Computer des Windows-Nutzer und Microsoft keine Kommunikationshindernisse bestehen. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz bezeichnet Windows 10 gar als „Abhöranlage“. Damit Windows keinen Zugriff auf die Sprachliste erhält, keine Informationen zum Schreibverhalten versendet, Apps die Verwendung der Werbungs-ID untersagt oder nicht ungefragt auf Kamera und Mikrofon zugreifen kann, muss der Anwender dem System erst Punkt für Punkt die Erlaubnis dafür entziehen. Und selbst dann funkt Windows 10 weiterhin nach Hause, besser gesagt: zu Microsoft.

Das Technologie-Lab von Ars Technica in Großbritannien hat herausgefunden, dass selbst nach Aktivierung aller relevanten Datenschutzeinstellung sowie nach Deaktivierung bestimmter Windows-Funktionen wie dem Assistenzsystem Cortana und der Bing-Suche weiterhin Daten zwischen dem Computer und Microsoft ausgetauscht werden. Besonders beunruhigend: Obwohl Cortana nicht lief, wurde beim Test durch Ars Technica beim Eintippen einer lokalen Suchanfrage im Startmenü eine Datei versendet, in der unter anderen eine eindeutige ID-Nummer des Computers enthalten war. Und was kaum besser ist: Die Kacheln im Startmenü, auf denen beispielsweise die letzte eingegangene Mail, Wetterinformationen oder Nachrichten angezeigt werden, stellen eine unverschlüsselte Verbindung zu Microsoft-Servern her – was die Gefahr manipulierter Verbindungen beinhaltet.

ShutUp10 enthält erheblich mehr Funktionen als in der Windows-Systemsteuerung

Doch damit will das kleine Programm aus Berlin Schluss machen. Mit ShutUp10 – zu deutsch: Sei ruhig – können gezielt ungewollte Funktionen in Windows 10 deaktiviert werden. So hilft das Tool dabei, dass der Computer keine sensible persönliche Daten mehr an Microsoft sendet. An insgesamt 50 Punkten setzt das Programm an, also an rund 20 mehr als mit Windows-Bordmitteln zu erreichen wären. Dafür werden unter anderem Veränderungen an der zentralen Registry-Datei vorgenommen, von der normalen Windows-Nutzer besser die Finger lassen. Bei der lokalen Bing-Suche werden danach keine Daten mehr ausgetauscht, ja sogar die Auto-Update-Funktion kann temporär abgestellt werden. So muss dann nicht mehr befürchtet werden, dass ein Laptop mit mobilen Internetzugang hohe Rechnungen produziert.

ShutUp10 ist als Freeware komplett kostenlos. Das Programm muss nicht einmal installiert werden, sondern ist direkt lauffähig. „Es wird keine weitere - ungewollte und unnötige Software nachgeladen oder mitinstalliert“, verspricht das Berliner Unternehmen, das seinen Sitz im ehemaligen Borsig-Werk in Tegel hat. Das 1997 gegründete Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, hilfreiche Systemprogramme für Windows-Computer zu entwickeln. So dient O&O-Defrag dazu, Festplatte so aufzuräumen, dass Programme schneller starten können. Mit O&O DiskImage können Abbilder von Festplatten erstellt werden, um nach einem Plattencrash das alte System innerhalb kürzester Zeit wiederherzustellen. Andere Tools dienen dazu, Daten zuverlässig zu löschen oder versehentlich gelöschte Dateien wieder nutzbar zu machen.

Microsoft selbst hat sich zur Kritik an der neuen Datenschutzpolitik in Windows 10 noch nicht geäußert. Nutzer der Vorgängersysteme Windows 7 und Windows 8 können allerdings ihren Computer bis Ende Juli 2016 kostenlos auf das neue Windows aufrüsten. Bereits jetzt, also rund drei Wochen nach dem Start, soll auf jedem zehnten Computer das neue Windows laufen. Dass der neue Datenhunger von Microsoft eine Kompensation der damit verbundenen Einnahmeverluste darstellt, ist allerdings reine Spekulation. Jedoch nehmen auch andere Unternehmen wie insbesondere Google für sich das Recht in Anspruch, für Werbezwecke beispielsweise die Gmail-Accounts der Nutzer nach relevanten Begriffen zu durchsuchen.

Wer absolut sicher gehen will, dass sein Computer sämtliche Geheimnisse für sich behält, muss wohl vorerst auf Windows 10 verzichten. Oder – wenn man die Erkenntnisse aus der Snowden-Affäre beherzigt – einen Computer mit besonders schützenswerten Daten ohne Internet-Zugang betreiben – egal mit welchem Betriebssystem. Kurt Sagatz

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