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Offener Brief an Heiko Maas: UN-Sonderbeauftragter für den Schutz von Journalisten?

Die Gewalt gegen Pressevertreter nimmt zu. Mehrere Bundestagsabgeordnete wünschen sich deshalb einen UN-Sonderbeauftragten für deren Schutz.

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Es sind Zahlen, die bedenklich stimmen, gerade auch nach den Vorfällen in Chemnitz: Die Zahl der tätlichen Übergriffe auf Journalisten in Deutschland nähert sich dem Hoch von 2015. Seit Anfang 2018 bis Mitte September sind 22 körperliche Angriffe auf 28 Journalisten verzeichnet worden, sagt die Studie „Feindbild Lügenpresse“ des European Center for Press & Media Freedom (ECPMF). Damit steigt die Zahl erstmals seit drei Jahren wieder an. Eine Tendenz, die vielleicht auch Außenminister Heiko Maas im Hinterkopf hat, wenn er nächste Woche zur UN-Generalversammlung nach New York fliegt. Im Gepäck einen Offenen Brief von vier Bundestagsabgeordneten, der dem Tagesspiegel vorliegt und der den Einsatz eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten fordert, so wie es schon im Juni 2107 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde.

Dieser Beschluss wurde, so die Unterzeichner (drei Bundestagsabgeordnete der Grünen, eine der Linken, darunter Margit Stumpp, medienpolitische Sprecherin der Grünen), auf Ministerebene von der Bundesregierung nicht öffentlich aufgegriffen. Hingegen hat sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron im September 2017 bei der UN-Generalversammlung dafür eingesetzt.

In diesem Jahr sind nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (ROG) weltweit bereits 50 Journalisten getötet worden. In den vergangenen zehn Jahren, so der Offene Brief der MdBs an Maas weiter, hätten verschiedenste Resolutionen mit dem Ziel, Medienschaffende vor Gewalt zu schützen, die Lage nicht verbessert. Auch gebe es keine wesentlichen Fortschritte beim Kampf gegen Straflosigkeit für diejenigen, die für die Gewalt gegen Journalisten verantwortlich sind. „Ohne effektiven Schutz für Journalisten können das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf Pressefreiheit nicht gewährleistet werden.“

Die Frage eines UN-Sonderbeauftragten sei ein zentrales weltweites Anliegen von Reporter ohne Grenzen, sagt auch ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Nur: Was kann damit konkret geleistet werden, zum Beispiel in einem Fall wie dem von Deniz Yücel, der ein Jahr wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ in türkischer Untersuchungshaft war? Für den Schutz von Journalisten sei ein „konkreter Mechanismus“ notwendig, heißt es im Brief an Maas. „Ein Sonderbeauftragter würde solch einen Mechanismus in Gang setzen können.“ Diese Person wäre in ihrer Funktion in der Lage zu überwachen, inwieweit die Mitgliedstaaten völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Darüber hinaus hätte sie dann die Befugnis zu eigenständigen Untersuchungen für den Fall, dass Staaten nach Gewalttaten gegen Journalisten nicht ermitteln.

Praktische Aus- und Weiterbildung auch für Polizisten

Ob das im Sinne von Heiko Maas ist, konnte das Auswärtige Amt am Donnerstag nicht beantworten. Natürlich schärfe es den Blick für die Probleme von Reportern, wenn Bundestagsabgeordnete einen „offenen Brief“ an den Außenminister schreiben, sagte Medienwissenschaftler Michael Haller dem Tagesspiegel. „Viel dringlicher ist die Frage, wie in Deutschland die Journalisten geschützt werden, wenn sie in Konfliktzonen die Vorgänge beobachten sollen.“ Obwohl ein demokratischer Rechtsstaat, werde die Arbeit der Journalisten in Deutschland massiv behindert. „Die Attacken gegen Journalisten werden auch immer aggressiver. Deshalb sollten die Parlamentarier sich erst mal für die Sicherheit der Berichterstatter in Deutschland einsetzen. Hier ist sehr viel zu tun.“

Dazu passt, dass sich am Donnerstag der Deutsche Presserat vor dem Hintergrund der Ereignisse in Dresden und Chemnitz zu Wort gemeldet hat. Es gebe einen Anspruch der journalistischen Medien auf Schutz bei der Ausübung ihrer Arbeit durch die Sicherheitsbehörden. Der Deutsche Presserat fordere die für Polizei in Bund und Ländern Verantwortlichen auf, ein modernes Verfassungsverständnis auch in der praktischen Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter zu verankern. Der Presserat biete dafür Unterstützung an.

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