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Boris Jelzin (links) ging im August 1991 als Sieger aus dem Putschversuch gegen Michail Gorbatschow hervor.

© dpa

TV-Doku über Augustputsch von 1991: Drei Tage, die die Welt veränderten

Eine Phoenix-Dokumentation erinnert an den gescheiterten Putsch gegen Michail Gorbatschow von 1991. Autor Iganz Lozo räumt mit einigen Mythen auf.

Die TV-Reihe „Mythbusters“ war ein echter Dauerbrenner. 14 Jahre lang haben die Spezialeffekte-Experten Jamie Hyneman und Adam Savage Mythen bestätigt oder eben zerstört. Derzeit läuft in Deutschland die letzte Staffel. Die Freude am Entkräften populärer Mythen ist allerdings nicht auf Special Effects beschränkt, sondern funktioniert im historisch-politischen Kontext genauso gut, wie die Dokumentation „Putsch gegen Gorbatschow – Der Untergang der Sowjetunion“ auf Phoenix zeigt. Der promovierte Osteuropahistoriker und ehemalige Russland-Korrespondent Ignaz Lozo räumt darin gleich mit mehreren Legenden rund um den gescheiterten Putschversuch im August 1991 auf.

Mehrere Legenden ranken sich um Boris Jelzin, damals der demokratisch gewählte russische Präsident, und seine Rede auf dem Panzer vor dem Parlamentsgebäude, die seinen Ruf als Bezwinger der Putschisten begründete. Doch genau diese Rede hat Jelzin nicht selbst geschrieben. Sie war vielmehr von Parlamentspräsident Ruslan Chasbulatow verfasst worden. Und noch ein Mythos fällt der genaueren historischen Betrachtung zum Opfer: was von den Demonstranten als Sturm auf das Parlamentsgebäude wahrgenommen wurde, war in Wahrheit eine Patrouillenfahrt der Putschisten, bei der jedoch alles schieflief, weil die Panzer zunächst in einem Tunnel stecken blieben. Bei dem Versuch, sich aus der misslichen Lage zu befreien, kam es zu den tumultartigen Szenen, in deren Folge drei Demonstranten ihr Leben verloren. Einen Befehl zum Sturm hat es überdies nicht gegeben. Somit stimmt auch der Mythos, der Sturm sei nur deshalb im Sande verlaufen, weil einige Offiziere den Befehl verweigerten, ebenfalls nicht. Am Ergebnis, dem Untergang der Sowjetunion, änderte das allerdings nichts, denn deren Existenz wurde Ende 1991 beendet.

Interviews mit Gorbatschow, Chasbulatow und Jasow

Die Entmystifizierungen machen jedoch nur einen kleinen Teil von Lozos Dokumentation aus. Sie beschreibt anhand von reichlich TV-Material und vor allem durch Interviews mit Zeitzeugen, die seinerzeit an wichtigen Schaltstellen saßen, detailliert die Ereignisse an den drei Putschtagen im Jahr 1991. Neben dem russischen Parlamentspräsidenten gehören zu den Interviewten auch der damalige sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow („Ich hätte damals nicht in den Urlaub auf die Krim fahren dürfen“) sowie Marschall Dmitri Jasow, der ehemalige sowjetische Verteidigungsminister und Beteiligte am Putsch.

Mehrere sowjetische Republiken, darunter die baltischen Länder, wollten den neuen Unionsvertrag nicht unterzeichnen, mit dem Gorbatschow das Auseinanderbrechen der Sowjetunion in allerletzter Minute verhindern wollte. Ranghohe Vertreter von Militär und Geheimdienst glaubten nicht an seinen Erfolg und gründeten das Staatskomitee für den Ausnahmezustand, das den Augustputsch organisierte.

Dabei war Gorbatschow als Vorsitzender des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion streng genommen nicht einmal das Hauptziel des Putsches. Das war Boris Jelzin und das, wofür er und andere „abtrünnige“ Teilrepubliken standen, die einen demokratischen Weg außerhalb der sowjetischen Zentralmacht suchten. Doch genau wie die unscharfen TV-Bilder wirkt auch dies inzwischen wie aus einer sehr fernen Vergangenheit.

„Putsch gegen Gorbatschow – Der Untergang der Sowjetunion“, Phoenix, Donnerstag, 22 Uhr 15

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