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Zu meinem ÄRGER: Die Wut der Zeitungsbürger

Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur des "Handelsblatt", resümiert die Medienwoche.

Herr Jakobs, worüber haben Sie sich in dieser Woche in den Medien am meisten geärgert?

Verrückt ist, was alles in der Welt für scherzfähig gehalten wird. Die Gustl-Mollath-Idee des Pullacher Autovermieters Sixt ist deshalb ein echtes Ärgernis. Seine Werbeagentur Jung von Matt aus Hamburg hatte ungebremst, zum Konterfei des derzeit aus der bayerischen Psychiatrie befreiten Mollath, texten dürfen: „Wenn hier jemand verrückt ist, dann der Sixt mit seinen Preisen.“ Zielgenau hatte die Firma ihre Anzeige natürlich in der „Süddeutschen Zeitung“ platziert, die sich mit der Aufarbeitung des Psychiatrie-Skandals Meriten erworben hat. Das hat die Wut der Zeitungsbürger noch mal gesteigert. Und auf Facebook blieb der offenbar von den Provo-Werbern einkalkulierte „Shitstorm“ nicht aus. Zusammenfassend: Es hat sich – Verzeihung, alle Sinti und Roma – um kommunikative „Zigeunersauce“ gehandelt. Irgendwie von gestern. Am Ende hat sich Erich Sixt noch entschuldigt und ein Honorar angeboten, doch das macht diese Unfallfahrt nicht besser.

Gab es auch etwas, worüber Sie sich freuen konnten?

Solidarität ist nur ein Wort, und in der SPD ist es derzeit ein Fremdwort, jedenfalls was die Unterstützung für Kanzlerkandidat Peer Steinbrück angeht. Es gilt nicht das Prinzip Beinfreiheit, es gilt das Prinzip Beinstellen. Und so fällt jedes solidarische Glimmen dem Beobachter auf. Der alte Grande Franz Müntefering hat im „Zeit“-Interview, fern des Berliner Treibens, den Chaos-Aufmarsch der Genossen um Steinbrück gegeißelt: „Es gab keine Kampagne, keine Bühne, keine Mitarbeiter, da gab es nichts.“ So viel Klartext freut. Und das in einer Partei, die ihrem Kandidaten bisher sogar die Präsenz des Plakats verweigert hat. „Man darf Leute nicht umschminken“, ist noch so ein „Münte“-Rat. Und den versteht Steinbrück wohl am besten. Wie heißt es so schön: Der Fehler ist gemacht.

Welche Homepage können Sie empfehlen?

Was für ein Unterschied ein Strich macht, der Strich zwischen „angela“ und „merkel“. Wer davon wissen will, steuert angelamerkel.de an und landet bei einer von Sozialdemokraten angelegten Seite. Sie zeigt SPD-Plakate, die Angela Merkel verspotten. Und weil das „Wir“ entscheidet, empfiehlt sich zum Kontrast das Original auf angela-merkel.de. Zu sehen: Bilder aus dem privaten Fotoalbum der Kanzlerin, ihre schlanken Beine beim Campen oder die berühmte Szene mit Fischern in der Ostsee-Fischerhütte aus dem Jahr 1990. Was fehlt, sind die Fotos in FDJ-Uniform, die „Bild“ neulich präsentierte. Die Regierungschefin verrät übrigens zum wiederholten Male, am liebsten Rouladen und Kartoffelsuppe zu kochen und garniert das mit der Enthüllung, ihr Mann würde sich selten beschweren. Nur auf dem Kuchen sind immer zu wenig Streusel.

Hans-Jürgen Jakobs ist Chefredakteur

des „Handelsblatts“.

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