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Das Viertel um den Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg soll einen Monat lang abgasfrei bleiben.

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Abgasfreier Kiez in Berlin: Bevormundung unter dem Banner des Fortschritts

Dass das Viertel um den Helmholtzplatz einen Monat lang abgasfrei bleibt, mag gut sein. Oder auch nicht. Schlimm daran ist aber, dass Lokalpolitiker mal wieder glauben, unmündige Bürger zwangsbeglücken zu müssen.

Elektromobilität ist eine feine Sache, wenn man weiß, woher der Strom kommt. Oder wenn man es gerade nicht weiß. Woher die Energie kommt, einem ganzen Berliner Stadtviertel autoritär einen Monat lang eine elektro-exklusive Zwangsbespaßung zu verordnen, ist nicht ganz klar. „Zu 98 Prozent klar“ dagegen ist jedoch, „dass es kommen wird.“ Das jedenfalls sagt der Geschäftsführer der Gesellschaft, die gegründet wurde, um die abgasfreie Überraschungsdauerparty durchzuziehen. Die Vorbereitungen liefen weitgehend im Verborgenen. Erst am Dienstag soll das Bezirksamt informiert werden, um die fehlenden zwei Prozent Klarheit abzunicken. Der zuständige Stadtrat, Jens-Holger Kirchner von den Grünen, ist vor Freude auf diese als Volksfest getarnte Umerziehungsmaßnahme schon ganz aus dem Häuschen.

Zwangsbeglückung unmündiger Bürger

Im Kern geht es hier allerdings nicht mehr nur um die – möglicherweise sogar sinnvolle – Elekromobilifizierung des Helmholtzkiezes, sondern um die grundsätzliche Frage, ob sich zehntausende Menschen einmal mehr von messianisch aufgeladenen Lokalpolitikern vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben. Zur bitteren Ironie der Geschichte gehört, dass dies alles unter dem Banner des gesellschaftlichen Fortschritts geschieht. Tatsächlich aber offenbart diese politische Haltung einen streng obrigkeitsgläubigen, schematischen Konservatismus, der von der Notwendigkeit einer Zwangsbeglückung unmündiger und verantwortungsloser Bürger überzeugt ist. Diskussionen sind allenfalls nach der faktischen Entscheidung erwünscht, der Vollzug derselben soll eine Formalie sein.

Neben der Mobilität der Menschen gehören auch deren Immobilien zu den bevorzugten Spielzeugen in diesem Politbaukasten, bis hin zur Vorschrift, wie viele Waschbecken in einer Wohnung der erwünschten „sozialen Mischung“ zuträglich sind. Hier ist Politik manchmal tatsächlich ein schmutziges Geschäft. Mit der Lebenswirklichkeit von immer mehr Leuten hat diese Art der Bevormundung allerdings nichts zu tun.

Mit Cocktailschirmchen gegen Tornados

Dies wird besonders deutlich beim Blick auf eine Entwicklung, gegen die sich die Politik zu stemmen versucht. Allerdings wirken ihre Protagonisten dabei so, als würden sie mit einem Cocktailschirmchen einen Tornado stoppen wollen, damit dieser nicht gehegte Gärtchen verwüstet. Der revolutionäre Erfolg von hoch professionellen digitalen Börsen für den flexiblen Tausch und die Zwischenvermietung von Autos und Wohnungen zeigt, wie immens groß das Bedürfnis der Menschen danach geworden ist. Aber die Politik sieht ihre Aufgabe nicht darin, diesem Bedürfnis der Mehrheit zu folgen, ihm einen Rahmen zu geben und zu unterstützen, sondern die exklusiven Märkte gewerblicher Minderheiten zu schützen und ihre persönlichen Idealvorstellungen durchzusetzen. Dabei hantiert sie hilflos und falsch mit Kampfbegriffen wie „Gentrifizierung“ und „Sicherheitsstandards“.

Doch so mancher Langzeitbewohner eines durchmodernisierten Kiezes kann sich nur deshalb dort halten, weil er seine Wohnung oder Teile davon tageweise untervermietet. Die starren Muster der Politik passen hier nicht. Auch das vermeintlich saubere, sichere Taxi kann stinken und mehr als eine Schraube locker haben, vom Fahrer erst gar nicht zu reden. Davor schützt auch ein Hybridantrieb nicht und die deswegen erteilte Sondererlaubnis, zum „Eco-Mobility Festival“ den Helmholtzplatz anzusteuern.

Die schöne neue Welt einer Politik, die das alles nicht sieht, ist nicht die Welt der Bürger, die in ihr leben müssen.

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