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Das Bundesverfassungsgericht hat eingetragenen Lebenspartnerschaften das Ehegattensplitting zugesprochen - eine Herausforderung für die Konservativen in Deutschland.

© dpa

Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften: Schwule sind die neuen Heteros

In dieser Woche ist einiges passiert, und ganz ohne große Diskussionen hat das Bundesverfassungsgericht auch noch die eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichgestellt. Ganz ohne Diskussion? Naja, fast.

Es ist ja nun nicht so, dass diese Woche gar nichts passiert wäre: Es gab einen so genannten Abhörskandal, demzufolge der amerikanische Nachrichtendienst NSA seit Jahren ein hochgeheimes Überwachungsprogramm unterhält, das sich teilweise mit dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit schwer vereinbaren lässt; in Istanbul wehren sich junge Türken gegen eine Politik, die sich immer mehr gegen sie und ihre Interessen richtet; der deutsche Verteidigungsminister scheint nur noch ein Minister auf Abruf zu sein; auf Mallorca hat Markus Lanz den TV-Mythos „Wetten, dass...?“ ein für allemal zerstört. Und dann kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Es kam wie erwartet. Und vielleicht war genau diese Erwartbarkeit Schuld daran, dass das Urteil keine Erschütterung nach sich zog, keinen großen Aufschrei, keine Debatte, keine Diskussionen. Obwohl! Moment! Eine Diskussion gab es ja doch.

Die Diskussion zur Gleichstellung von Homosexuellen zeigte, in welchem Land wir leben

Am Mittwochabend in der ARD bei „Anne Will“ hieß das Thema: „Gleiche Rechte für Homosexuelle – ist die Ehe nicht mehr heilig?“, und was in dieser Sendung alles passierte, war in mehrerer Hinsicht lehrreich und interessant – gleichzeitig zeigte diese Talkshow vermutlich sehr genau, in was für einem Land wir im Moment eigentlich leben. Unter diesem Aspekt war die Sendung auch so etwas wie die Bescheinigung einer Existenzberechtigung für Talkshows.

Aber darum soll es diesmal nicht gehen, dafür war dann handwerklich doch einiges schief, zum Beispiel war es nicht richtig, dass die Redaktion als Gegner der Gleichstellung von Homosexuellen zwei Frauen eingeladen hatte, die den beiden Befürworten (und der in diesem Fall nicht ganz unparteiischen Moderatorin) intellektuell heillos unterlegen waren. Die CDU-Politikerin Erika Steinbach und die Sprecherin der Initiative Familienschutz Hedwig von Beverfoerde diskutierten mit David Berger (Chefredakteur des Schwulenmagazins „Männer“) und dem FDP-Politiker Michael Kauch. Wobei es diskutieren nicht ganz trifft. Man geriet aneinander. Und das war deshalb so interessant, weil es eigentlich nicht um die Gleichstellung von Homosexuellen ging, sondern vielmehr um die große Frage, wie man eigentlich leben will – vor allem Steinbach und Beverfoerde haben da für alle Menschen eine sehr konkrete Vorstellung. So ist es zum Beispiel für Steinbach eine unerschütterliche Tatsache, dass die Ehe zwischen Mann und Frau etwas ist, dass seit Menschengedenken Bestand habe – so viel Bestand, dass in Deutschland jede dritte Ehe geschieden wird, aber das mag in der Welt der Konservativen eine zu vernachlässigende Momentaufnahme sein.

Der Begriff "konservativ" wird neu definiert

Wobei der Begriff „konservativ“ in diesem Zusammenhang neue Deutungen erfährt, beziehungsweise scheint es so, als würde gerade ein „liebgewonnenes“ Klischee, dass Heterosexuelle haben, wenn sie an Schwule und Lesben denken, gerade zerbröseln: Homosexuelle tragen ja gar nicht dauernd Lack und Leder und befummeln auf dem Christopher Street Day jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist – die wollen heiraten und Kinder großziehen und wählen die CDU und die FDP. Der homosexuelle Schauspieler Rupert Everett sagt im aktuellen SZ-Magazin: „Heterosexuelle sind die neuen Schwulen. Sie suchen ständig Sex und sind dabei ziemlich wahllos. Die Schwulen dagegen heiraten, adoptieren Kinder und leben monogam.“ So pauschal ist das natürlich so wenig schlau wie das Gegenteil, aber immer noch schlauer wie Steinbachs Argument gegen die Gleichstellung, denn sie meint, dass die Homo-Ehe „unpraktisch für den Staat“ sei, schließlich könnten ja ein Mann und ein Mann oder eine Frau und eine Frau keine Kinder bekommen, und Kinder seien ja schließlich das, was der Staat so dringend bräuchte.

Immerhin tat Anne Will gut daran, eher mit Steinbach als mit Beverfoerde zu reden, denn die war überhaupt nicht in der Lage in die Diskussion irgendeinen vernünftigen Aspekt einzubringen – ihr Horizont endete bei der Erkenntnis, dass ein Kind „Mutter und Vater braucht.“

Die Diskussion muss weitergeführt werden

Nee, braucht es nicht, es braucht vor allem Liebe und eine Gesellschaft, die nicht mehr in veralteten Rollenklischees denkt. Das könnte aber noch etwas dauern, denn einer Allensbach-Umfrage von 2012 nach, verstehen 97 Prozent unter „Familie“ ein verheiratetes Paar mit Kind. An dieser Zahl hat sich seit zwölf Jahren nichts geändert.

Ändern solche Fernsehdiskussionen etwas daran? Vielleicht. Aber die Diskussion muss weitergeführt werden, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, denn in dieser Diskussion geht es eben auch um die große Frage, wie diese Gesellschaft in Zukunft sein will, wie viel sie erträgt, wie viel sie aushält. Und das geht jeden etwas an, unabhängig von der sexuellen Orientierung.

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