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MEIN Blick: Warum Frau Merkel die Wahl gewinnt

Die Republik hat sich mental nach links geneigt, meint Alexander Gauland. Merkel werde gewinnen, weil die sozialdemokratischen Versuche sie als neoliberal darzustellen, ins Leere laufen müssen.

Frau Merkel hat recht: Die Bundestagswahl wird anders ausgehen und eine Vorentscheidung waren diese drei Landtagswahlen nicht. Wie auch, bei so unterschiedlichen Ergebnissen. Ein paar Lehren für alle Parteien lassen sich aber doch ziehen. Das sogenannte linke Lager und das sogenannte rechte Lager liegen in der Wählergunst fast gleichauf und den Ausschlag über Sieg und Niederlage gibt die Glaubwürdigkeit des das Lager repräsentierenden Spitzenkandidaten. Und da hatte die CDU in Sachsen die besseren Karten, nicht trotz, sondern wegen Tillichs angeblicher Stasiverstrickung. Er verkörperte glaubhaft das Dazwischen, das weder Opfer- noch Tätersein, sondern einfach in der DDR gelebt und gearbeitet zu haben, ein paar Schatten auf dem Lebenslauf inklusive.

Dieter Althaus dagegen wäre besser sofort gegangen, statt Schicksalsschlag und Schuld im Wahlkampf zu vermarkten, den Konkurrenten aber ein „Haltet ein!“ zuzurufen. Man kann eben nicht mediengerecht Buße tun, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen. Buße bedarf der Stille. Die Wähler haben es gemerkt und waren verstimmt. Und so wie in Sachsen das „Stasi, Stasi!“-Gerufe nicht zog, so ging in Saarbrücken die Warnung vor dem roten Weltuntergang nicht auf.

Es stimmt schon, die Linke ist in den Augen vieler eine Partei von Fantasten. Dass ausgerechnet am Vorabend des 1. September, also des Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen eine konsequent pazifistische Partei endgültig in der Republik Fuß gefasst hat, darf politische Realisten schon erschüttern – es ist, als ob es die Lehre aus dem 1.9.1939 nie gegeben hätte: „Bereite den Krieg vor, wenn du den Frieden erhalten willst.“

Doch der Weltuntergang sind die Linken mit ihrer Europa-Skepsis, der Nato-Feindschaft und den Sozialismus-Fantasien nicht, eher die von rechts nach links gewanderten Reste eines deutsch-nationalen Sonderbewusstseins – eigensinnig, falsch, aber einer beträchtlichen Wählerschaft aus der Seele gesprochen. Union und FDP sollten sich daher vor einer neuen Rote-Socken-Kampagne auch dann hüten, wenn zwei rot-rote Ministerpräsidenten ihre CDU-Vorgänger ablösen sollten.

Wenn sich die Linke moralisch nicht mehr ausgrenzen lässt, muss die SPD sie umarmen, da ihr nur aus einer langfristigen Wiedervereinigung neue Kraft zuwachsen kann. Schließlich war auch die USPD der frühen Weimarer Republik keine Abspaltung von Dauer und Nachhaltigkeit. Doch das ist Zukunftsmusik.

Erst einmal wird Frau Merkel die Wahl gewinnen, weil alle sozialdemokratischen Versuche, sie als neoliberalen Gottseibeiuns vorzuführen, ins Leere laufen müssen – sie sind unglaubwürdig, wenn man vier Jahre zusammen eine Politik gemacht hat, für die man vom Wähler gute Zensuren erbittet. Und auch für die FDP muss gelten, was die Linke für sich in Anspruch nimmt – eine neue Chance. Vielleicht schaffen Solms und Co. ja wirklich das einfachere und deshalb gerechtere Steuersystem.

Wie weit sich die Republik entgegen aller Anti-Rechts-Rhetorik und trotz Angela Merkel und Guido Westerwelle mental nach links neigt, zeigt das völlige Fehlen eines glaubhaften Gegenpols zur Linken auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Die Linke ist gesellschaftliche Normalität, eine Rechte wäre bloß politischer Selbstmord. Die Schatten von Auschwitz sind eben immer noch länger als die des Gulag und die Erben von 68 lebendiger denn je.

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