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Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der Linken.

© dpa

Zum 150-jährigen Jubiläum der SPD: Große Namen, große Traditionen und eine trostlose Partei

Die SPD kämpft für ein Programm, das sich mit den vier Begriffen Frieden, Arbeit, Gerechtigkeit und Demokratie umreißen lässt. Dabei hat sie diese Traditionen mitnichten gepachtet, meint unser Gastautor Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linken. Die Bilanz im Jubiläumsjahr muss vielmehr lauten: Für die SPD bleiben es Worte.

Am 23. Mai 1863 hob in Leipzig ein Häuflein Mutiger den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) und damit die organisierte Arbeiterbewegung ins Leben. Im Wahljahr 2013 feiert die SPD am historischen Ort dieses Jubiläum als „ihren“ 150. Geburtstag. Ich gönne der SPD jede Feier und alle Glückwünsche. Aber der 23. Mai 2013 ist für mich zuallererst der 150. Geburtstag der Arbeiterbewegung.

Seit 150 Jahren organisieren sich Menschen und kämpfen für ein Programm, das man immer noch in denselben vier Begriffen zusammen fassen kann: Frieden, Arbeit, Gerechtigkeit, Demokratie, verbunden mit der Überzeugung, dass der Fortschritt die Menschheit immer wieder hinter den sichtbaren Horizont führen wird. Ich bezweifle ganz ausdrücklich, dass die SPD einen Alleinvertretungsanspruch für diese Traditionen geltend machen kann. Und ich glaube, es gäbe würdigere und passendere Formen, dieses Jubiläum zu feiern.

Die großen Werte verbinden sich mit großen Namen. Ferdinand Lasalle, einer der Gründungsväter des ADAV und der SPD, hat die Arbeiterbewegung in zwei berühmten Sätzen darauf verpflichtet, niemals eine Lüge unhinterfragt zum Ausgangspunkt der eigenen Politik zu machen, sei sie auch noch so laut und groß: „Alle große politische Aktion beseht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit." Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist. Die SPD von heute hat sich durch ihre nie ernsthaft in Frage gestellte Zustimmung zu Merkels Euro-Rettungsgesetzen, die Millionen arbeitende Menschen in Südeuropa in die Armut gestürzt hat, die Ideologie der Austerität zu Eigen gemacht und damit die Chance verspielt, aus der Krise eine echte solidarische und demokratische Alternative für den europäischen Kontinent stark zu machen.

Vom „Arbeiterkaiser“ August Bebel stammt aus dem Jahr 1869 die Ankündigung, nicht zu ruhen, „bis dieses System in Grund und Boden zerschlagen und zertrümmert ist". Er meinte den Kapitalismus. Aber im aktuellen Regierungsprogramm will die SPD nur noch den „Finanzkapitalismus“ bekämpfen, so als ob alle Ausbeutung des Menschen durch den Menschen schon in Ordnung wäre, wenn sie nur ohne entfesselte Banken und Spekulanten funktioniert.

Wilhelm Liebknecht, ein weiterer Gründungsvater der SPD, prägte mit dem Satz “Im Krieg schweigt die Vernunft und die Humanität verhüllt ihr Haupt” eine Tradition des Friedens und Pazifismus für die Arbeiterbewegung. Die real existierende SPD hat seit der Wiedervereinigung allen Kriegseinsätzen der Bundeswehr im Ausland zugestimmt und lässt keinen Zweifel daran, dass sie dies auch künftig tun will.

Und der baden-württembergische IG-Metall-Führer Willy Bleicher schrieb uns ins Stammbuch: „Es gibt keine kleinen Leute - es gibt nur Menschen, die andere klein machen.“ Die SPD von heute kann von sich sagen, dass sie seit der Jahrtausendwende Löhne und Renten in einem beispiellosen Ausmaß klein gemacht hat, und muss einen Gutteil ihres Wahlprogramms dafür aufwenden, um das unter dem Namen Agenda 2010 bekannt gewordene größte Sozialabbauprogramm der bundesrepublikanischen Geschichte wenigstens teilweise rückgängig zu machen.

Die großen Namen verdienen unseren Respekt. Die großen Worte haben nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt. Aber es gibt in der SPD von heute keine ernstgemeinte politische Praxis, die aus diesen Worten Taten machen würde. Alles was wir haben, ist eine Partei, die das Attribut „Volkspartei“ so versteht, dass sie sich als Light-Version der CDU verkaufen will. Nicht anders kann man es doch verstehen, dass die SPD ausgerechnet die Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ausschließt und lieber mit der asozialen FDP koalieren will.

Wir werden der SPD am 23. Mai höflich gratulieren. Aber die wirkliche Feier findet eine Woche später in Frankfurter Bankenviertel statt. Dort demonstrieren einmal mehr Zehntausende unter dem Slogan Blockupy dagegen, dass den kleinen Leuten die Kosten der Euro-Krise aufgebürdet werden. Dort wird es lebendiger sein. Das Durchschnittsalter wird niedriger sein. Es wird keine Sonntagsreden älterer Herren geben. Dafür wird es laut und bunt, und alle, die dabei sind, wissen, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte demonstrieren.

Bebel, Haase und Liebknecht wären vielleicht in Leipzig, aber ganz sicher aber in Frankfurt dabei, und wenn sie in einer Partei wären, dann wäre es die Linke.

Bernd Riexinger

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