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Bundesverfassungsgericht

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Rechtskolumne Einspruch: Auch das Bundesverfassungsgericht hat ein Gleichheitsproblem

Bei der Homo-Ehe fordern sie die Gleichstellung, selbst müssen sich sie Karlsruher Richter aber auch eine Ungleichbehandlung vorwerfen lassen - wegen der exklusiven Weitergabe ihrer Urteile an die Datenbank Juris. Dahinter steht ein Prinzipienstreit: Wem gehört die Rechtsprechung?

Kaum ein Rechtssatz ist so schwierig anzuwenden wie das Gleichheitsgebot der Verfassung mit seinen immer wieder neu zu bemessenden Toleranzwerten für gerade noch zulässige Ungleichbehandlungen. Besserwissern, die angesichts des jüngsten Beschlusses zur Homo-Ehe die abgegriffene Formel von der (absehbaren) Karlsruher Klatsche aus dem Metaphernhut ziehen, wird es entgangen sein: Den Verfassungsrichtern geht es wie dem Gesetzgeber. Gleichbehandlung ist eine Kunst, die niemand sicher beherrscht.

Das höchste Gericht stand kürzlich selbst vor Gericht und wurde verurteilt, weil es gegen das von ihm verteidigte Gebot verstieß. Gerügt wurde seine Praxis, die eigenen Urteile dokumentarisch aufbereitet und mit Stichworten und Leitsätzen versehen ausschließlich seinem Exklusivpartner zu überlassen, der Juris GmbH. Das kostenpflichtige Online-Portal gehört zum größten Teil dem Bund und zu einem kaum kleineren einem niederländischen Verlag. Juris ist die Spinne im Netz der deutschen Rechtsinformation und hat Verträge mit Bund, Gerichten und Verlagen. Die Gerichte sprechen Recht, Juris verkauft es. Ein Geschäft mit Traumrenditen, die es auch schon für Finanzinvestoren interessant gemacht haben. Die Gewinner sind die GmbH und der Bund, der sich Dienstleistungskosten spart. Verlierer sind wir, die wir das bezahlen müssen.

Man möchte hoffen, dass das Urteil des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (Az.: 10 S 281/12) zu einem Umdenken führt. Es stellt klar, dass die Urteilsinformation zu den Konditionen, für die Juris sie bekommt, auch anderen Anbietern zur Verfügung gestellt werden müssen. So sollte es recht und billig sein, billiger jedenfalls als bisher. Denn wenn amtliche Informationen als marktfähiges Produkt gehandelt werden, muss es wenigstens fairen Wettbewerb geben. Abschließend befinden muss darüber noch das Bundesverwaltungsgericht, auch so ein Kooperationspartner von Juris.

In Karlsruhe, Leipzig und Berlin und auch in den Justizverwaltungen der Länder sollte allerdings darüber nachgedacht werden, ob Recht ein Content-Produkt ist wie andere auch. Letztlich auch ein Fall für Verfassungsrichter, denn hier geht es um das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Die Bürger müssen ihr Recht kennen und nutzen können. Für Urteile kann da nichts anderes gelten als für Gesetzestexte. Das Bundesrecht steht entsprechend schon aktuell und kostenlos online (www.gesetze-im-internet.de), beschickt und gepflegt – natürlich – von Juris.

Der digitale Sprung hat alle Voraussetzungen geschaffen, staatliche Rechtsinformationen zu entprivatisieren und zusammenzuführen. Sonst nerven ja Anspruchshaltung und Umsonstmentalität in der Internetkultur. Hier aber haben sie das (Verfassungs-)recht auf ihrer Seite.

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