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Markus Hesselmann (neu)

© Doris Klaas

Auf den Punkt: Merkel vs. Thatcher

Markus Hesselmann über eine neue Achse Berlin-London

Von Markus Hesselmann

Beim Fußball haben uns die Briten inzwischen fast schon beängstigend lieb. Die WM 2006 hat ein bleibendes Bild der Deutschen als gastfreundliches und entspanntes Völkchen vermittelt. Die Bundesliga gilt auf der Insel als basisnaher Gegenentwurf  zur überkommerzialisierten Premier League. Die einst so beliebten antideutschen Weltkriegsgesänge („Two World Wars And One World Cup“) sind deshalb von englischen Fans kaum mehr zu hören.

Mit historisch unterlegtem Deutschland-Bashing lassen sich in Großbritannien – anders als zuletzt in Griechenland – auch politisch kaum noch Punkte machen. Angela Merkel wurde bei ihrem Besuch vor Ostern mit großem Wohlwollen empfangen. Der sonst so innenpolitikfixierte Premierminister Gordon Brown freute sich über den Fototermin, um sich selbst vor der Unterhauswahl am 6. Mai als erfahrener Staatsmann zu inszenieren. Seinen konservativen Herausforderer David Cameron hatte er einmal mehr als Novizen dastehen lassen – diesmal in der Außenpolitik.

Der Labour-Politiker Brown, der in den Meinungsumfragen zurückliegt, wollte davon profitieren, dass die Christdemokratin Merkel ihrem Quasi-Parteifreund Cameron nicht die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Foto gab. Zumal die britischen Medien gewohnt aufgeregt reagierten: „Angela Merkel führt Gespräche mit Gordon Brown, aber nicht mit David Cameron“, titelte die „Times“. Die Zeitung „The Independent“ und der Fernsehsender „Sky News“ sahen den Oppositionsführer gar von Merkel „brüskiert“. Und Camerons Büro ließ daraufhin kleinlaut vermelden, dass die Kanzlerin schlicht keinen Platz in ihrem Terminkalender hätte, um Cameron zu treffen, ihn aber stattdessen zu einem Berlin-Besuch eingeladen habe.

Viel bemerkenswerter als diese Zuspitzungen aber ist ein Essay, der kürzlich im konservativen Meinungsmagazin „The Spectator“ erschien. Der Autor Mark Wood lässt sich nicht beirren von den immer wieder neu aufgetischten Meldungen um anhaltende Verstimmungen zwischen Merkel und Cameron wegen des Austritts der britischen Konservativen aus der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Für den Meinungsmacher des „Spectator“ ist viel wichtiger, dass Merkel keine Showpolitik à la Brown und Sarkozy mag. Dies sei die Chance für einen Premierminister Cameron zwischen Großbritannien und Deutschland „eine unaufdringliche und effektive Partnerschaft langfristig zu etablieren“. Eine „Achse der Pragmatiker“ könne daraus entstehen.

Das Hausblatt der Partei Margaret Thatchers, die einst gern die deutsche Einheit aus Furcht vor einem „Vierten Reich“ verhindert hätte, plädiert für eine Achse (sic!) Berlin-London. Das ist eine unaufdringliche historische Wende – und womöglich schon bald sehr effektiv.

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