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Rechter Terror in Deutschland.

© dapd

Kontrapunkt: Braune Armee Fraktion

Gegen den Rechtsterrorismus stehen alle deutschen Demokraten zusammen. Zum Glück, sagt Malte Lehming. Denn das ist beim Thema Terror nicht immer so.

Sie überfielen Banken und ermordeten Menschen. Die Opfer waren Zivilisten, so wehrlos wie unschuldig, und Polizisten, die den Rechtsstaat verteidigten. Und in dem Maße, wie die ermittelnden Behörden erfolglos blieben, wuchs die Trauer der Hinterbliebenen, der Witwen, Kinder und anderen Angehörigen. Die Nation ist schockiert, die Bevölkerung empört. 

Doch es gibt Ausnahmen. Einer davon ist ein berühmter deutscher Schriftsteller. Er schreibt in einem großen deutschen Magazin, "ganz so wahnwitzig wild und schießlustig, wie die Gruppe bisher dargestellt worden ist", sei sie wohl nicht, außerdem entstehe "nicht gerade der Eindruck einer uneingeschränkten Ballerideologie". Und dann: "Es ist eine Kriegserklärung von verzweifelten Theoretikern, von inzwischen Verfolgten und Denunzierten, die sich in die Enge begeben haben, in die Enge getrieben worden sind und deren Theorien weitaus gewalttätiger klingen, als ihre Praxis ist."

Vehementer noch als die Taten der Terroristen kritisiert der berühmte deutsche Schriftsteller deren mediale Vorverurteilung. "In jeder Erscheinungsform von Rechtsstaat hat jeder Verdächtigte ein Recht, dass, wenn man schon einen bloßen Verdacht publizieren darf, betont wird, dass er nur verdächtigt wird." Ohnehin werde da vieles aufgebauscht. Denn die Gefahr sei, in Relation zur Gesamtbevölkerung, sehr überschaubar. Die besagte Gruppe "mag zur Zeit ihrer größten Ausdehnung 30 Mitglieder gehabt haben. Das war ein Verhältnis von 1:2.000.000. Nimmt man an, dass die Gruppe inzwischen auf 6 Mitglieder geschrumpft ist, wird das Verhältnis noch gespenstischer: 1:10.000.000. Das ist tatsächlich eine äußerst bedrohliche Situation für die Bundesrepublik Deutschland. Es ist Zeit, den nationalen Notstand auszurufen." 

Auszüge aus dem Propagandavideo der NSU.

© Der Spiegel dpa

Mit den letzten Sätzen distanziert sich der Schriftsteller in ironischer Weise vom nationalen Empörungskonsens über die Verbrechen der Terrorbande - wie auch mit diesem Satz: "Äußerste Linke, äußerste Rechte, linke und rechte Mitte, Konservative und Progressive aller Schattierungen, sie alle kennen keine Parteien mehr, sie sind dann nur noch Deutsche und sich einig, einig, wenn sie endlich in ihre deutsche Schwatzgenüsslichkeit zurückfallen...".

Das schrieb Heinrich Böll am 10. Januar 1972, im selben Jahr erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Sein Text erschien im "Spiegel" und hieß: "Will Ulrike Meinhof Gnade oder freies Geleit?" Im selben Jahr auch wurden Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin verhaftet. 

Nun wäre es billig, das aktuelle Thema eines monströsen Rechtsterrorismus nachträglich gegen Heinrich Böll und dessen Einfühlungsvermögen in die Mitglieder der Rote-Armee-Fraktion zu wenden. Und natürlich gibt es Unterschiede zwischen Links- und Rechtsterroristen. Aber das Beispiel Böll zeigt – ebenso wie es ein Vergleich mit diversen verständnisinnigen Bekundungen für die Motive der Dschihadisten nach dem 11. September 2001 ("Mitschuld des Westens") tun würde -, dass wir durchaus ein wenig froh und dankbar sein können, dass der xenophobe Rechtsterrorismus ausnahmsweise einhellig verurteilt wird.

Von "taz" bis "Bild", von "Rundschau" bis "Welt", von der "Süddeutschen" bis zur "FAZ" tuten alle in dasselbe Horn. Sie nennen Mord, was Mord ist, und Niedertracht, was Niedertracht ist. Niemand macht mildernde Umstände geltend, keiner plädiert für Gnade oder freies Geleit. Alle Demokraten stehen zusammen. Keiner äußert "klammheimliche Freude".

Und zum Glück kommt keiner auf die Idee, einen türkischen Dönerbudenbesitzer für ein verwerflicheres Terrorziel zu halten als einen Bankier oder das World Trade Center. Jedenfalls noch nicht.

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