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CDU-Parteitag: Beliebt, beliebig

Angela Merkel hält sich in der Krise alles offen – und gefährdet den Ruf ihrer Partei.

Von Antje Sirleschtov

W  äre Angela Merkel eine schwä bische Hausfrau – sie befände sich zweifellos in guter und zahlreicher Gesellschaft. Denn es ist ja nicht nur wahr, sondern auch verständlich, dass die Menschen am Ende dieses Jahres Angst haben. Wenn Banken zusammenbrechen und jederzeit neue Schreckensnachrichten Arbeitsplätze bedrohen können, dann lässt das niemanden, wo auch immer, kalt. Nicht in Deutschland, nicht woanders im globalen Dorf und natürlich auch nicht CDU-Mitglieder in Stuttgart, die am Beginn eines Superwahljahres stehen.

Der Unterschied zwischen Angela Merkel und einer schwäbischen Hausfrau ist jedoch: Die Hausfrau darf in ihrer Angst verharren. Von der Kanzlerin der größten europäischen Volkswirtschaft erwartet man, dass ihre Angst in die Suche glaubwürdiger Antworten auf die ökonomischen Herausforderungen der Zeit mündet. Und von der Vorsitzenden der stärksten deutschen Partei, dass sie einen Weg aufzeigt, auf dem ihre Mitglieder in ein paar Monaten Wahlen gewinnen können.

Ersteres hat Frau Merkel in den zurückliegenden Wochen im Bundestag nicht sehr überzeugend vermocht. Ein Banken-Rettungsschirm, unter den niemand kriechen will, ein erstes nationales Konjunkturpaket, das äußerst umstritten ist, keine eigene europäische Initiative zur Bekämpfung der Rezession.

Und auch Letzteres ist Merkel nun in Stuttgart nicht geglückt. Wer allen Experten – auch denen in der eigenen Partei – so offensichtlich misstraut und sich bei der Bewältigung der Krise alle Möglichkeiten offen halten will, macht die Beliebigkeit zum Programm und gefährdet gleichzeitig das wohl zug kräftigste Argument der eigenen Partei im kommenden Bundestagswahlkampf: die Kompetenz der Union in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Vor dem Delegiertentreffen hat Merkel ihre lautesten Kritiker in der Partei ruhiggestellt. Geschlossenheit demonstrieren: Das ist ihr gelungen. Den eigenen Leuten Mut machen für den Wahlkampf in diesem schwierigen Jahr 2009 – das hätte anders ausgesehen.

Es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet die CDU-Vorsitzende, die die Ratschläge ihres eigenen Parteiumfeldes so deutlich zurückweist, selbst mit den klassischen sozialdemokratischen Instrumenten der Staatsinvestitionen gegen die Krise angehen will – während sie die Senkung von Steuern ablehnt, weil das Geld dafür fehlt. Als ob eine Milliarde Euro für Straßenbau weniger kosten als eine Milliarde zur Absenkung der Progressionskurve im Steuersystem. Wie lange wird es wohl dauern, bis noch ganz andere als Merkels Widersacher Friedrich Merz den ökonomischen Sachverstand der Chefin und die Glaubwürdigkeit ihrer Argumente öffentlich in Zweifel ziehen? Sie selbst hätte diese Gefahr abwenden können. Führung heißt, seine Fachleute einzubinden, deren Expertise abzurufen. Merkel hat stattdessen die Forderungen ihrer Partei nach Steuersenkungen zurückgewiesen. Für alles Weitere steht sie nun alleine ein.

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