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Das Althaus-Urteil: Schuld und Bühne

So politisch war das Private selten: Wird das Urteil rechtskräftig, ist Dieter Althaus ein Straftäter samt Eintrag im Führungszeugnis. Dessen sollte man gewärtig sein, wenn er demnächst wieder die politische Bühne betritt.

Der Neujahrstag 2009, so strahlend blau und sonnig wie er vielerorts war, ist zur dunkelsten Stunde im Leben von Dieter Althaus geworden. Es quält, daran zu denken, wie seine rasante Skifahrt das Leben einer Mutter beendete. Und wie sehr muss es ihn erst quälen, wenn er daran denkt. Das Leben ist das größte Schutzgut zwischen Himmel und Erde, nicht nur für einen Christenmenschen wie Althaus. Er hat es verletzt, zur Trauer und Tragik der Familie des Opfers ebenso wie der seinen und seiner selbst. Und er wird dafür bestraft.

Das alles ist schwer genug. Es wäre ein Grund zum Innehalten und Schweigen, zum Nachdenken und Mitfühlen. Aber über den Fall muss gesprochen werden. Althaus ist ein Politiker, einer der höheren. Er führt als Ministerpräsident ein Bundesland mit mehr als zwei Millionen Menschen, die bald eine neue Führung wählen oder die alte bestätigen wollen. Er wird dafür wahlkämpfen und tun müssen, was Politiker tun: Er muss andere schlecht und sich selbst besser machen; er muss austeilen und einstecken; und das Schwierigste: er muss das alles so aufrichtig tun, dass man ihm glaubt und vertraut.

Wer mit Menschen spricht, die anderen das Leben genommen haben ohne es zu wollen, die einfach einen Moment unachtsam waren, die sich eine kleine und dann in furchtbarer Weise tödliche Nachlässigkeit geleistet haben, wird unterschiedliche Antworten bekommen. Opfer, Tat und Umstände, die innere Verfassung und der äußere Halt, all das bestimmt, wie einer seine Schuld verwindet. Einem gelingt es besser, dem anderen schlechter. Mancher erlebt nie wieder eine glückliche Stunde, und das ist noch das beste, was man von seiner Verfasstheit sagen kann.

Jeder Gedanke und jedes Wort dazu gehört allein Dieter Althaus und seinen Nächsten. Uns, die Öffentlichkeit, hat es nicht zu interessieren. Für uns relevant ist allein, ob die persönliche Tragik und ihre juristischen Folgen eine Vermischung mit dem politischen Schicksal des Dieter Althaus vertragen. In Thüringens CDU gibt es das starke und verständliche Bemühen, dies zu trennen. Hier der Schicksalsfall, dort der Verurteilte, dann wieder der Spitzenkandidat. Als handele es sich um drei Personen. Das Verfahren in Österreich war danach nicht mehr als der bürokratische Annex eines Urlaubszwischenfalls.

Nein, es gehört etwas mehr Ehrlichkeit in die Debatte. Wird das Urteil rechtskräftig, ist Althaus ein Straftäter samt Eintrag im Führungszeugnis. Fahrlässig heißt auch nicht, dass alles bloß Zufall und Unglück war, sondern dass es ein Versagen gab, eine Schuld, die dem Verurteilten vorzuwerfen ist. Und 180 Tagessätze, dies nur am Rande, sind keine Petitesse für ein solches Delikt. Er hat nicht betrunken ein Kind totgefahren. Aber Dieter Althaus muss trotzdem etwas sehr, sehr falsch gemacht haben am Neujahrstag.

Dessen sollte man gewärtig sein, wenn der Kandidat demnächst wieder die Bühne betritt. Das scheint er vorzuhaben. Jedenfalls hinderte er seine Ärzte nie daran, pünktliche Genesung zu prognostizieren, auch der klug eingefädelte Schnelldurchgang in Österreich ohne Publikum soll dafür den Boden bereiten. Dabei hätte man sich ein Bild machen können von dem Vorfall und der Schuld. Dem Anliegen hat der Kandidat sich wirksam entzogen. Der Wahlkämpfer – und Althaus ist längst im Wahlkampf – hat das öffentliche Urteil gescheut und die Räume für Diskussion verknappt. Jetzt stellt er sich bald den Wählern und darf auf deren Anstand hoffen, Strafe, Schuld und Urteil mit Rücksicht auf sein Leiden zu beschweigen. So politisch war das Private selten.

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