Der Abgeordnete sprach von komplizierten Fragen, von einer schwierigen Abwägung und von angemessenen Regelungen. Er verwies auf das „Spannungsfeld“ zwischen Ausübung des Mandats, der Unabhängigkeit des Abgeordneten und der Berufsfreiheit. Er betonte die Verantwortung aller Bundestagsabgeordneten gegenüber dem Parlament und dem Parlamentarismus. Dazu klagte er über eine „hysterische, von Parteitaktik geprägte Debatte“. Den von den Regierungsparteien SPD und Grünen vorgelegten Gesetzentwurf zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten lehnte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen, im Namen der schwarz-gelben Opposition ab.
Sieben Jahre ist das her. Seit einer Woche wird in der Republik nun wieder einmal über die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten diskutiert. Wieder wird die Debatte von parteitaktischen Argumenten geprägt, wieder geht es hysterisch zu. Wieder fordern Politiker aller Parteien „volle Transparenz“ bei den Nebeneinkünften, doch auch diesmal darf bezweifelt werden, dass es dazu kommt. Stattdessen setzen vor allem Union und FDP auf billigen Nebenverdienstpopulismus und schaden damit um des kurzfristigen politischen Vorteils willen der politischen Kultur.
Seit einer Woche stehen die Nebeneinkünfte des frisch gekürten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück im Mittelpunkt der öffentlichen Aufregung. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, soviel scheint klar, hat sich seine Beliebtheit, sein Image und seine Fachwissen nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt versilbern lassen. So machen es viele Ex-Minister und auch Ex-Kanzler. Dafür gebe es einen Markt, stellt Peer Steinbrück selbstbewusst fest.
Rund 80 Vorträge hat Steinbrück seit 2009 gehalten, zudem zwei Bücher geschrieben und damit recht ordentlich verdient. Neu ist dies nicht, dies alles war auch schon auf der Internetseite des Bundestages nachzulesen, fein säuberlich waren dort Steinbrücks Honorare nach den Regeln des Parlaments aufgelistet und den vorgegebenen Stufen 1.000 bis 3.500 Euro, bis 7.000 Euro und über 7.000 Euro zugeordnet. Dass diese Stufen-Regelung wenig praktikabel ist und vor allem höhere Einkünfte nicht erfasst, kann man dem SPD-Kanzlerkandidaten kaum vorwerfen.

Doch ausgerechnet diejenigen, die vor sieben Jahren die Bremser bei der Neuregelung der Nebeneinkünfte waren, die dafür sorgten, dass es nicht einmal wirksame Sanktionen wegen Verstößen gegen die Veröffentlichungspflichten gibt und die verhinderten, dass Abgeordnetenbestechung nach den Vorgaben einer UN-Konvention unter Strafe gestellt wird, haben sich zur Attacke entschlossen. Der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nennt Steinbrück einen „Liebling der Spekulanten“ und ein „Produkt der Finanzmarktindustrie“. Patrick Döring, sein Amtskollege von der FDP, ätzt, bei Steinbrück würden „offenbar immer wieder alle Sicherungen durchbrennen, wenn es um den eigenen Vorteil geht“.
Weil der Kanzlerkandidat der SPD eine politische Angriffsfläche bietet, ist anders als vor sieben Jahren plötzlich auch die CDU dafür „mehr Transparenz zu Höhe und Herkunft von Nebeneinkünften von Abgeordneten zu schaffen", so ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Michael Grosse-Brömer. Statt drei soll es zukünftig sechs Stufen für die Kategorisierung von Nebeneinkünften geben, die höchste soll dabei im sechsstelligen Bereich liegen. Die Grünen fordern sogar zehn Stufen. Schon in der kommenden Woche könnte das Thema Nebeneinkünfte auf der Tagesordnung des Bundestages stehen.
Die Hektik ist dem beginnenden Wahlkampf geschuldet. Solange Steinbrück nur Ex-Minister und einfacher SPD-Abgeordneter war, haben dessen Nebeneinkünfte in der Öffentlichkeit und bei der politischen Konkurrenz kaum jemanden interessiert. Dass ehemalige Spitzenpolitiker ihren guten Namen im politischen Vorruhestand zu Geld machen, gehört quasi zu den ungeschriebenen Gesetzen der Politik. Die Ex-Kanzler Schmidt, Kohl und Schröder haben es so gehalten, auch der ehemalige Arbeitsminister Walter Riester (SPD), der grüne Außenminister Joschka Fischer und der Ex-Forschungsminsiter Riesenhuber (CDU). Die Übergänge zwischen neuer beruflicher Aufgabe, Lobbyismus und Dankeschön-Aufträgen sind dabei fließend.
Doch nun ist Steinbrück aus dem politischen Vorruhestand zurückgekehrt, er ist wieder ein sozialdemokratischer Hoffnungsträger und plötzlich muss er sich rechtfertigen. Die öffentliche Aufregung ist groß.
- Angriffe auf Steinbrück sind hysterisch und verlogen
- Lobbyismus ist nicht unanständig
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