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Meinung: Der Streber schwächelt

Die Zahlen zeigen: Auf Wirtschaftswunder ist kein Verlass. Da hilft nur sparen

Es wäre auch zu schön gewesen. Bis zu vier Prozent Wachstum hatten Ökonomen der deutschen Wirtschaft für dieses Jahr vorhergesagt – obwohl im Rest der Welt von Aufschwung-Euphorie längst keine Rede mehr ist. Die meisten Nachbarn in Europa kamen kaum noch vom Fleck, Amerika kämpft gegen eine neue Rezession, China gegen Inflation und Spekulationsblasen. Dass die deutsche Wirtschaft weiter wächst, während sich bei den wichtigsten Handelspartnern die Probleme türmen, wäre einem Wunder gleichgekommen. Nun müssen die Forscher neu rechnen, wieder einmal.

Das neue deutsche Wirtschaftswunder ist vorbei – allerdings ist das nun zu erwartende Plus von zwei bis drei Prozent noch immer aller Ehren wert und mehr, als Deutschland im Schnitt der letzten Jahre zustande gebracht hat.

Obendrein ist es für alle an der schwelenden Schuldenkrise Beteiligten nicht schlecht, wenn die Bundesrepublik vom Thron des europäischen Wachstumskönigs gestoßen wird. Zum einen können die Deutschen dann nicht mehr als Streber des Kontinents den übrigen EU-Mitgliedern mit Sparappellen auf den Wecker fallen – mit einer Verschuldung von zwei Billionen Euro ist die größte europäische Volkswirtschaft ohnehin alles andere als vorbildlich.

Zum anderen müssen die übrigen Länder Europas erkennen, dass sie sich beim Kampf gegen ihre Defizite nicht unbegrenzt auf die Bonität der finanzstarken Staaten verlassen können. Schließlich gibt es in Griechenland ebenso wie in Portugal, Irland, Spanien, Italien und selbst in Frankreich einflussreiche Kräfte, die eine schmerzhafte Sanierung der Staatsfinanzen und den Abschied von Privilegien verhindern wollen. Stattdessen setzen sie auf die Hilfe des vermeintlich omnipotenten Wirtschaftsriesen Deutschland, etwa in Form gemeinsamer Anleihen zu günstigen Zinsen. Nun wird klar, dass die Deutschen gegen Einbrüche nicht immun sind, obwohl Mittelstand und Großkonzerne über einen weltweit gefragten Produktmix verfügen, obwohl die Löhne jahrelang hinter der Produktivität zurückgeblieben sind. Berlin taugt nicht zum Zahlmeister des Kontinents.

Ohnehin droht die Schuldenkrise zu einer schweren Hypothek für den Fortgang der Konjunktur zu werden. Das Schlimmste wäre, wenn sich die Realwirtschaft von der Hysterie der Finanzmärkte anstecken ließe. Die Konsumenten haben größere Anschaffungen bereits zurückgestellt, das zeigen die Zahlen der Autoindustrie. Sollten nun auch die Unternehmen ihre Investitionspläne schreddern, wäre die Abwärtsspirale da. Die Konjunktur erlahmte und mit ihr die Steuereinnahmen. Vor diesem Hintergrund dürfte es unmöglich werden, die Haushalte in absehbarer Zeit wieder ins Lot zu bringen. Und auch die Europäische Zentralbank wäre überfordert, sollte sie die dann entstehenden Defizite mit der Gelddruckmaschine finanzieren, wie sie es jetzt tut.

Es hilft alles nichts: Sparen, sparen und nochmal sparen ist der einzige Ausweg aus dem Dilemma. Auf Wirtschafts- oder andere Wunder ist eben kein Verlass.

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