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Zwei Polizeibeamte eskortieren einen Afghanen auf dem Flug von Leipzig nach Kabul in einem Charterflugzeug.

© dpa/Michael Kappeler

„Endlich in großem Stil abschieben“?: Markige Worte sind noch keine Lösung

Bundeskanzler Olaf Scholz macht die Migrationsdebatte noch emotionaler, als sie es ohnehin schon ist. Stattdessen braucht es gut überlegte Ansätze, um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren.

Das war mal eine Ansage. Der Kanzler als Mister Markig: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ Als wäre die Migrationsdebatte nicht schon aufgeregt und emotional genug.

Dass ausgerechnet Olaf Scholz so redet! Der sonst so zurückhaltend und wägend formuliert, sich viel auf seine kühle Art und Logik zugutehält.

Mit Sprüchen ist noch nichts geregelt. Und das müsste es: geregelt werden. Dringend. Die Kommunen ächzen, immer lauter. Dazu hätte der Kanzler Genaueres sagen sollen. Mehr und schnellere Abschiebungen können die Probleme überlasteter Kommunen vielleicht lindern, aber nicht lösen. Die Zahl derjenigen, die Jahr für Jahr nach Deutschland kommen, ist einfach zu hoch.

Weniger markig reden, dafür ruhig mehr

Ein Plan muss her. Zu reden, wie es AfD-Wählern gefallen könnte, ist keiner. Oder wenn, dann ein schlechter. Verbale Kraftmeierei können die Rechtsradikalen besser.

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Was spricht dagegen, Michael Kretschmer zu folgen und einen Runden Tisch zu Asyl und Migration einzurichten? Oder eine Kommission? Der sächsische Ministerpräsident schaut seinem Volk aufs Maul. Dass er ihm bisweilen dann arg nach dem Mund redet – das verbindet ihn doch gerade mit dem Kanzler.

Aber im Ernst: Regierung und Opposition im Bund, Vertreter der Länder und Kommunen, gesellschaftliche Gruppen, alle an einem Tisch – und dann alles auf den Tisch. Auch alles Streitige.

Der Anspruch an die größtmögliche Koalition ist klar: kontinuierlich tagen, Entscheidungen vorbereiten und notfalls schnell nachsteuern. Schnell, wohlgemerkt.

Wenn das noch lange so weitergeht, werden die Rechtsaußen noch stärker, als sie schon sind. Und das kann einem wirklich Angst machen um die Demokratie. In Sachsen, bei Kretschmer, soll die AfD in den Umfragen inzwischen schon bei 36 Prozent stehen.

Jetzt also gilt’s. Weniger markig reden, dafür ruhig mehr. Ruhig, damit das Thema mit Maß und Mitte verhandelt wird. Sprich: vorbildlich.

Das Grundrecht auf Asyl zu ändern, würde sich kaum auswirken

Nötig ist, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Dazu müssen die EU-Außengrenzen geschützt und entlastet werden. Das heißt auch: die Auslöser der Flucht am Ort beheben. Eine große Koordinationsaufgabe. Wie Flüchtlingskontingente und eine solidarische Verteilung von Asylsuchenden auf die Mitgliedsländer.

Das muss gelingen – weil es sonst bei einer stärkeren Sicherung der Binnengrenzen enden wird, die keine:r will. Bundesinnenministerin Nancy Faeser macht das ja auch nur notgedrungen.

Ob dann zusätzlich am deutschen Grundrecht auf Asyl etwas geändert werden soll, kann der Runde Tisch – oder die Kommission – debattieren. Muss er sogar, weil es immer wieder diese Forderung gibt, von Kretschmer, von Markus Söder aus Bayern.

Allerdings würde sich selbst ein derart weitgehender Eingriff in deutsches Recht und deutsches Selbstverständnis kaum auswirken. Von den rund 228.000 Asylentscheidungen im Jahr 2022 sind nur in 0,8 Prozent der Fälle Asyl nach Artikel 16a Grundgesetz gewährt worden. Der sagt: Politisch verfolgte Menschen bekommen Schutz. Sie sollen in Deutschland sicher sein. Eine Lehre nicht zuletzt aus der Shoah. Außerdem ist eine Grundgesetzänderung fraglich, weil es keine politische, eine Zweidrittelmehrheit dafür gibt.

Aber die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppen können ja einen Gesamtvorschlag zu erarbeiten versuchen, hinter dem sich Bund und Länder versammeln könnten.

In jedem Fall geht es darum: wirksame Instrumente zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber und illegaler Einwanderer zu schaffen. Und darum, wirksam zu unterscheiden zwischen Menschen, die politisch verfolgt sind, die vor Krieg und Bürgerkrieg fliehen, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. So gesehen hat der Kanzler einen Punkt: im Grundsatz.

Schulen und Kindergärten sind überlastet, es fehlen Wohnungen und Sprachkurse für die, die bleiben sollen. Es fehlt: Geld. Das muss sich ändern, vor allem für die Kommunen. Kann es auch. Wenn Olaf Scholz mal eine klare Ansage macht.

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