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Der gewiefte EZB-Chef Mario Draghi hat schon so manche Klippe in der Eurokrise umschifft und versteht es exzellent, die Politik auch mal unter Druck zu setzen.

© AFP

Eurokrise: EZB setzt Angela Merkel ein Ultimatum

EZB-Chef Mario Draghi hat mit seiner Ankündigung, die Zinsen auf ihrem Rekordtief zu belassen, der Kanzlerin ein Jahr Frist gegeben – das ist nicht viel. Deutsche Sparer werden sich danach angesichts steigender Inflation nicht mit einer Entwertung ihres Vermögens zufrieden geben.

Man traut es Mario Draghi mit seiner sanften Stimme und dem stets weichen Lächeln nicht sofort zu. Aber der kluge Ökonom an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ist zugleich ein Meister der feinsinnigen Drohung. Noch lange sollen die Zinsen in Europa auf einem Rekordtiefstand bleiben, hat der Italiener nun verkündet. „Es sind nicht sechs Monate, es sind nicht zwölf Monate – es ist ein ausgedehnter Zeitraum.“ Das ist nicht nur der Versuch, die Finanzmärkte zu beruhigen, die wegen neuer Hiobsbotschaften der Euro-Sorgenkinder schon wieder nervös sind. Es ist zugleich ein Ultimatum für Angela Merkel und ihre Euro-Rettungspolitik.

Die Inflation macht Angst

Ein gutes Jahr also noch, bis die Zinsen steigen – in dieser Zeit kann viel passieren. Zum Beispiel ein Aufschwung in Deutschland. Die Chancen dafür stehen nicht so schlecht angesichts der Erholung in Amerika und der steigenden Löhne hierzulande, die für Nachfrage sorgen. Springt die Konjunktur an, steigen früher oder später auch die Preise. Zumal die Geldmenge durch die laxe Zinspolitik der EZB in den vergangenen Jahren enorm angeschwollen ist.

Schon jetzt, da die Wirtschaft nur stagniert und das Öl noch bezahlbar ist, liegt die Inflationsrate bei 1,5 Prozent. Ein Aufschwung kann sie schnell auf drei Prozent oder mehr heben. In Deutschland, wo die Abneigung gegen Inflation historisch tief wurzelt, ist das nicht vermittelbar. Sparer dürften kaum einverstanden sein, erst wegen der Krise jahrelang auf Renditen auf ihr Kapital verzichten zu müssen und anschließend auch noch ihre Vermögen durch steigende Preise entwertet zu bekommen.

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Die EZB, lange der einzige handlungsfähige Akteur im Euro-Trubel, ist dann am Ende ihrer Möglichkeiten. Sie kann nicht mit Blick auf Deutschland die Zinsen anheben, ohne zugleich die Euro-Krisenländer ins Chaos zu stürzen. Spätestens dann wird Merkel zu einem Kurswechsel in Sachen Rettungspolitik gezwungen sein.

Das Scheitern der Sparpolitik

Ohnehin steht in punkto Stabilisierung nur wenig auf ihrer Habenseite. Griechenland und Zypern werden ihre Schulden kaum jemals zurückzahlen können, Portugal nur mit viel Glück – wenn die Koalition hält. Doch mit Regierungskrisen wie jüngst in Lissabon ist in Demokratien immer zu rechnen. Wohl noch auf Jahre werden schwaches Wachstum und Rekordarbeitslosigkeit das Bild in vielen Ländern bestimmen. „Bedeutende Misserfolge“ mit der Sparpolitik hat selbst der Internationale Währungsfonds unlängst ausgemacht. Und die US-Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart mussten eingestehen, dass sich ihre Doktrin, wonach zu hohe Schulden das Wachstum bremsen, auf falsche Berechnungen stützt, leider.

Angela Merkel wird das Scheitern ihrer Euro-Politik tunlichst erst nach der Bundestagswahl einräumen. Dann gibt es zwei Varianten: einen erneuten Schuldenschnitt, etwa für Griechenland – mit schwer zu kalkulierenden Folgen. Oder eine Vergemeinschaftung der Verbindlichkeiten über Euro-Bonds. Teuer wird es für die Deutschen auf jeden Fall.

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