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Lorenz Maroldt

© Kai-Uwe Heinrich

Finanzen: Berliner Haushalt: Zahlen bis es quietscht

Im Haushalt, den der Senat jetzt für die kommenden Jahre beschlossen hat, werden Finanzierungsprobleme mit neuen Schulden gestopft. Wenn die Milliarden nur so durchrauschen, verbreitet sich rasch der Eindruck: Es kommt nicht so genau darauf an.

Es war nur ein Zufall, dass am Tag der Haushaltsklausur des Senats auch der letzte große Prozess zum Bankenskandal begann. Zwischen Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister Berlins, und Klaus Landowsky, angeklagt der Untreue, liegen Wahrnehmungswelten. Doch die Zeit, als beide Fraktionsvorsitzende in einer Koalition waren, der eine für die SPD, der andere für die CDU, die wirkt nach, nicht nur finanziell.

Der Haushalt, den der rot-rote Senat jetzt für die kommenden Jahre beschlossen hat, ist anders als alles, was damals bei Eberhard Diepgen am Ende jeglicher Verteilungsverhandlungen stand. Da wurden noch Schulden gemacht, als die Wirtschaft boomte. Dann kam der Bruch, dann kam, auf Wunsch Wowereits, Thilo Sarrazin, der strengste Finanzsenator aller Berliner Zeiten. Mit ihm begann tatsächlich eine neue Epoche, Motto: Sparen, bis es quietscht.

Sarrazin ist wieder weg, aber nicht vergessen. Und doch erinnert dieser Doppelhaushalt ein wenig an frühere Jahre. Finanzierungsprobleme werden mit neuen Schulden gestopft; und ein politisches Ziel wird zwar behauptet, aber nicht konsequent verfolgt.

Wowereit verweist auf „dramatische Einnahmeverluste“ infolge der Wirtschaftkrise. Aber damit beschreibt er nur den unbestreitbaren Ursprung eines Problems. Die Antwort des Senat darauf lässt sich so nicht zwingend erklären.

Es gibt gute Gründe dafür, in Berlin eine Kunsthalle zu bauen und eine Landesbibliothek. Dramatische Einnahmeverluste sind allerdings kein guter Grund. Wowereits Worte, dass die vollen Kosten von insgesamt 300 Millionen Euro erst in einigen Jahren fällig werden, sind so richtig wie grundsätzlich bedenklich. Auch das wird eine spätere Landesregierung bezahlen müssen, wie alle neuen Schulden. Heute kaufen, morgen vielleicht zahlen können – das stand am Anfang der Finanzkrise, die heute auch das Land Berlin belastet. Mit diesem Haushalt des Senats werden bald 2,5 Milliarden Euro an Zinsen fällig, Jahr für Jahr. Jeden Tag beteiligt sich dann das Land Berlin mit 6,6 Millionen Euro an einem ganz eigenen Bankenrettungsprogramm. Ohne diese Last wäre die Landesbibliothek in sechs Wochen bezahlt, die Kunsthalle in fünf Tagen.

Es gibt bessere Gründe dafür, die Bildungskette von der Kita über die Schulen zu Universitäten und Forschungsinstitutionen zu pflegen, gerade dann, wenn man Bildung und Wissenschaft für wichtig hält, wie Wowereit von sich behauptet. Sein Bildungssenator wird daran zweifeln müssen. Für die Hochschulen war am Ende nicht genug übrig, für die Schulen reicht es gerade zur Finanzierung der gymnasialen Bildungslotterie.

Für eine gute Haushaltspolitik in schwierigen Zeiten, zumal in einem hoch verschuldeten Stadtstaat, gibt es keine einfache Handlungsanweisung mit Erfolgsgarantie. Der Senat kann auch nicht jedes Jahr zum Verfassungsgericht ziehen. Wogegen der Senat aber angehen muss, ist das fatale Gefühl, dass die Mühen der vergangenen Jahre vergeblich waren. Wenn die Milliarden nur so durchrauschen, wenn die Zinsen jeden Sparbeitrag in Tagen oder gar Stunden verzehren, verbreitet sich rasch der Eindruck: Es kommt nicht so genau darauf an. Die Basis jeglichen politischen Handelns aber ist der finanzielle Spielraum, der durch eine Verminderung der Schulden entsteht – und durch einen alleintragenden wirtschaftlichen Aufschwung, sogar in Berlin. Dafür muss der Senat alles tun. Zu erkennen ist das nicht.

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