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Noch alles im Griff? Ein angeschlagener Francois Hollande in Rabat.

© Reuters

Frankreich: Der Präsident muss sich zusammenreißen - sofort

Frankreichs Präsident ist von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt. Er will die Krise aussitzen. Aber wenn er jetzt nicht handelt, könnte das Land bald in einem Atemzug mit Zypern und Griechenland genannt werden.

Die Krise, das sind immer die anderen. Zypern, Griechenland, Italien – mit diesen Ländern assoziiert die deutsche Öffentlichkeit die Euro- Krise und kann mangels eigener Betroffenheit meistens doch kein Gespür dafür entwickeln, was „Krise“ konkret bedeuten kann. Anders sieht das in Frankreich aus: Die Arbeitslosigkeit ist auf den höchsten Stand seit 15 Jahren gestiegen. Inzwischen kennt im Nachbarland so gut wie jeder jemanden, der in letzter Zeit seinen Job verloren hat. Es ist vor allem diese ganz persönliche Krisenerfahrung, die Frankreichs Staatschef François Hollande nicht erst seit gestern in schwere Turbulenzen gebracht hat. Nicht nur in Frankreich stellen sich immer mehr Menschen die Frage: Ist Hollande der Richtige, um der Nation wieder zu Wachstum zu verhelfen, ohne ihr die notwendigen Reformen zu ersparen?

In wenigen Wochen jährt sich die Wahl Hollandes zum Staatspräsidenten zum ersten Mal. Als der Sozialist im Mai 2012 in den Élysée-Palast einzog, hätte es wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass er in der Bevölkerung noch unpopulärer dastehen würde als sein Vorgänger Nicolas Sarkozy. Anfangs fanden die Franzosen noch Gefallen am Stil ihres neuen, „normal“ auftretenden Staatschefs, der sich im Gegensatz zum „Omnipräsidenten“ Sarkozy lieber etwas zurücknimmt. Und auch in der Europapolitik suchte sich Hollande mehr oder weniger überzeugend von seinem Amtsvorgänger abzusetzen – auf Kosten von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch allmählich schöpfen viele Franzosen den Verdacht, dass der Neuanfang, den Hollande im Wahlkampf versprach, in die Sackgasse führt.

Die Malaise, die sich über das Land legt und die Umfragewerte des Präsidenten immer weiter nach unten reißt, hängt zunächst einmal mit der düsteren wirtschaftlichen Lage zusammen, die Hollande auch gar nicht beschönigen will. Bis zum Ende des Jahres soll sich der Trend der ständig steigenden Arbeitslosenzahlen umkehren, verspricht der Präsident. Ob seine Landsleute ihm noch Gehör schenken, erscheint immer zweifelhafter. Hollande ist von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt: Erst machte seine Regierung handwerkliche Patzer bei der Reichensteuer, dann brachte sie Hunderttausende bei der Einführung der Homoehe gegen sich auf – und in dieser Woche machte sein ehemaliger Haushaltsminister Jérôme Cahuzac das erschütternde Geständnis, die Öffentlichkeit monatelang belogen zu haben. Angesichts des Schwarzgeldskandals Cahuzacs wirkt das Wahlkampfversprechen Hollandes, er werde die Ära einer „vorbildhaften Republik“ ohne Affären einläuten, wie ein Hohn.

Hollande hat sich offenbar entschlossen, die Krise erst einmal auszusitzen – eine Regierungsumbildung kommt für ihn nicht infrage. Mit seiner nonchalanten Haltung droht er aber, die Kluft zwischen den Regierten und den Regierenden in Frankreich noch weiter zu vergrößern. Damit stärkt er auch unweigerlich das politische Potenzial von Populisten wie Jean-Luc Mélenchon auf der Linken und Marine Le Pen auf der Rechten.

Hollande wirkt zurzeit wie ein Gefesselter – eingezwängt zwischen einer starken Linken und Frankreichs Wirtschaft, die Reformen nach dem Vorbild der „Agenda 2010“ von ihm erwartet. Er sollte Frankreich endlich erkennbar auf den Reformpfad führen. Oder will Hollande, dass sein Land demnächst in einem Atemzug mit Europas Pleitestaaten genannt wird?

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