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Warmlaufen für den Ernstfall. Die deutschen Frauen starten gegen Kanada in die WM.

© dpa

Die WM beginnt: Frauenfußball will kein Männerfußball sein

Das Spiel der deutschen Fußballerinnen ist seit Jahrzehnten herausragend, was fehlt, ist die breite Anerkennung. Für einen Sommer wird in Deutschland nun niemand daran vorbeikommen, einmal genauer hinzusehen.

Es gibt Fußball und es gibt Frauenfußball. Ein billiger Abklatsch dieses männlichen Sports, ein unattraktives Spiel mit unansehnlichen Frauen, die immer 8:0 gewinnen und dabei kaum besser spielen als die Jungs in der Kreisklasse. Die Klischees haften hartnäckig. Mit der Realität hat das aber nur noch wenig zu tun. Wenn am Sonntag die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Deutschland beginnt, dann ist das eine große Chance für den Sport, die alten Vorurteile abzuschütteln. Und endlich aus dem Schatten des allmächtigen Männerfußballs zu treten.

Frauenfußball will nämlich gar kein Männerfußball sein. Bei diesem Vergleich müssen die Frauen verlieren: Das Spiel ist langsamer, die Schüsse sind schwächer, die Pässe kürzer. Frauen können sich im sportlichen Bereich nicht mit Männern messen, die körperlichen Voraussetzungen sind einfach andere. Niemand hat je verlangt, dass Steffi Graf gegen Boris Becker Tennis spielt, um zu beweisen, wie gut sie wirklich ist. Niemand hat die Zeiten der Schwimmer Franziska van Almsick und Michael Groß verglichen oder die der Skistars Maria Riesch und Markus Wasmeier.

Das Spiel der deutschen Fußballerinnen ist seit Jahrzehnten herausragend, was fehlt, ist die breite Anerkennung. Das liegt auch daran, dass es wenige Nationen gibt, die der Mannschaft von Silvia Neid gefährlich werden können. National wie international gibt es noch immer zu wenige Frauen, die auf höchstem Niveau spielen, was auch daran liegt, dass die Geschichte des Frauenfußballs eine sehr junge ist. In Deutschland dürfen Frauen erst seit 1970 Fußball spielen, das erste offizielle Länderspiel liegt nicht einmal 30 Jahre zurück. In vielen Ländern ist Fußball für Frauen bis heute verboten.

Die Emanzipation der Frauen geht mit der Emanzipation im Fußball einher. Jahrelang haben sich die deutschen Fußballerinnen an den Verboten abgearbeitet, erstritten, dass auch sie 90 Minuten spielen und dabei Stollenschuhe tragen dürfen. In diesem Kampf um Gleichberechtigung mussten die Frauen vielleicht eine gewisse Maskulinisierung des Sports durchschreiten. Frauen, die in übergroßen, sackartigen Männertrikots auftraten und mit Inbrunst auf den Platz spuckten, verstärkten nur das Vorurteil, dass dieser Sport für Frauen nicht gemacht ist.

Nun läuft ein anderer Typ Frau im körperbetonten Trikot auf den Rasen. Das ist keine Übersexualisierung, sondern eher eine Normalisierung. Ein weiterer Schritt der Emanzipation. Das Männervorbild wird nicht mehr gebraucht.

Man darf das alles nicht übertreiben und darin liegt wohl die größte Gefahr dieser WM. Das offizielle Motto „20Elf von seiner schönsten Seite“, setzt den Fokus falsch. Die Frauen müssen sportlich überzeugen. Dazu haben sie in den kommenden drei Wochen bis zum Finale am 17. Juli in Frankfurt am Main auf großer Bühne die Chance.

Für einen Sommer wird in Deutschland niemand daran vorbeikommen, einmal genauer hinzusehen. Der Großteil der Stadien wird voll sein, 700 000 Karten sind bisher verkauft. Am heutigen Sonntag kommen 73 680 Menschen ins Olympiastadion. So viele Zuschauer gab es beim Frauenfußball in Deutschland noch nie. Zu erwarten, dass nun die Frauen das Sommermärchen der Männer wiederholen, ist allerdings vermessen. Sie müssen ihre eigene Geschichte schreiben, welchen Namen die dann auch immer tragen wird.

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