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Im Braunkohletagebau wird Ingenieurskraft verschwendet, meint Hans-Georg von der Marwitz.

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Gastbeitrag: Braunkohle in Brandenburg? Ein Irrsinn

Deutschland will die Wende zur erneuerbaren Energie schaffen - doch Brandenburg baut die Braunkohleförderung aus. Ein Spiel mit dem Feuer, meint unser Gastautor, der für die CDU im Bundestag sitzt.

Aus und vorbei. Schlachten im Wendland. Polizeiprügel in Wackersdorf. Wütende Weinbauern in Wyhl – Geschichte. Mit der im Sommer beschlossenen Energiewende tritt ein gesellschaftlicher Konsens an die Stelle eines über Jahrzehnten geführten erbitterten Konflikts. Getragen wird dieser Konsens von allen im Bundestag vertretenen Parteien.

Die Erleichterung über den historischen Glücksfall ist berechtigt. Doch eines wird dabei leicht vergessen: Wesentlich fundamentaler als der nach Fukushima nunmehr endgültige Atomausstieg ist das gleichzeitig vereinbarte Ziel, bis 2050 schrittweise aus fossilen Energieträgern wie Kohle oder Öl auszusteigen. Wer die Energiewende auf den Atomausstieg reduziert, hat noch nicht verstanden, dass es jetzt ernst wird mit der Wende Ein zu den Erneuerbaren. Für ein Industrieland wie Deutschland ist das ein anspruchsvolles Ziel. Aber es ist technisch möglich, es ist finanzierbar (weil sowieso massiv investiert werden muss). Und es ist auch politisch erreichbar, wenn man es zielstrebig verfolgt.

In dieser Situation nun wird in einigen Bundesländern der Versuch unternommen, der Braunkohle eine dauerhafte energiepolitische Zukunft zu sichern – also dem klima- und gesundheitsschädlichsten aller Energieträger. Brandenburg geht dabei voran. Nicht anders sind die Äußerungen von Ministerpräsident Matthias Platzeck zu verstehen, der es für vertretbar hält, auch weit nach dem Jahr 2020 noch neue riesige Braunkohlekraftwerke zu bauen.

Diese Politik ist ein Spiel mit dem Feuer, denn erstens: Sie setzt leichtfertig einen mühsamen erreichten nationalen Konsens aufs Spiel: Dieser Konsens war und ist eben nicht zu haben, indem man ab 2022 Atomstrom mit Kohlestrom ersetzt.

Zweitens: Sie gefährdet die deutsche Glaubwürdigkeit im Ausland, weil sie die Klimaschutzziele gefährdet. Und wie glaubwürdig ist es eigentlich, wenn wir uns über die Abholzung des Amazonas empören, vor der eigenen Haustür aber die gleiche Form Raubbau an der Natur betreiben?

Drittens: Sie ist unverantwortlich gegenüber den betroffenen Braunkohleregionen, weil sie in der Lausitz die Fehler von Ruhr und Saar wiederholt, bis zuletzt starr an einem Energieträger von gestern festzuhalten. Das Ruhrgebiet gehört heute auch deshalb zu den am meisten von Armut betroffenen Regionen des Landes, weil man bis zuletzt den ohnehin anstehenden Strukturwandel weg von der Kohle als Bedrohung und nicht als Chance begriffen hat.

Viertens: Sie nimmt weiter die Zerstörung von Natur- und Kulturlandschaften durch Tagebaue in Kauf. Der aus der Kohle gewonnene Strom ist schnell verbraucht. Zurück bleiben trotz Rekultivierung „Restlandschaften“, auf denen auch nach Jahrzehnten der Aufenthalt so gefährlich ist, dass sie umzäunt und zu Sperrzonen deklariert werden müssen.

Fünftens: Sie bürdet der Allgemeinheit hohe Gesundheitskosten auf: Allein das Brandenburger Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe – technisch auf dem neuesten Stand – führt nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur zu Folgekosten in Form erhöhter Krankheits- und Sterberaten zwischen 500 bis 700 Millionen Euro – jährlich.

Deshalb gilt: Die Landesregierungen in Brandenburg, aber auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und NRW sollten die Energiewende als Chance begreifen, endlich von der Braunkohle loszukommen. Unsere Kreativität, unsere technische und politische Ingenieurskunst sollten wir nicht auf Pläne für neue Braunkohlekraftwerke verschwenden.

Der Autor (CDU) ist Mitglied des Bundestages für den Wahlkreis Märkisch-Oderland/Barnim.

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