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Passagiere warten auf den Grenzübertritt zwischen Kroatien und Slowenien am Grenzübergang Bregana.

© dpa/Uncredited

Grenzenlose Freiheit: Schengen wird mit Kroatiens-Beitritt größer, zumindest ein bisschen

Kroatien tritt 2023 dem Schengen-Raum bei. Rumänien und Bulgarien dürfen das vorerst nicht. Es bleibt wichtig, diesen Ländern eine Perspektive zu geben.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Der Schengen-Raum ist in Verruf geraten. Die Zustände an einigen EU-Außengrenzen sind katastrophal. Flüchtlinge werden misshandelt und ohne jedes Verfahren zurückgeführt. Die Zunahme der Migrationsströme seit 2015 nahmen viele Länder zum Anlass, Grenzkontrollen wieder einzuführen. Dasselbe geschah im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Schengen – das klingt nach Inhumanität, Regellosigkeit und Bedrohung der Inneren Sicherheit.

Höchste Zeit für einen Perspektivwechsel: Der Schengen-Raum ist der weltweit größte Raum der Reisefreiheit. Ihm gehören 420 Millionen Menschen aus 26 Ländern an. Er ermöglicht täglich etwa 3,5 Millionen Menschen, die Binnengrenzen unkontrolliert zu überqueren. Geschätzte 1,25 Milliarden Europäer nutzen die Vorteile jedes Jahr bei ihren Reisen. Der Schengen-Raum ist ein Fundament der EU und des Binnenmarktes.

Notwendig war ein einstimmiges Votum

Diese Dimension mussten die EU-Innenminister bei ihrem Treffen in Brüssel bedenken. Die EU-Kommission drang darauf, als weitere Schengen-Länder Kroatien, Bulgarien und Rumänien aufzunehmen. Die Bundesregierung befürwortet das. Notwendig war ein einstimmiges Votum. Schließlich legte Österreich ein Veto gegen Bulgarien und Rumänien ein.

Lediglich Kroatien wird also ab dem kommenden Jahr beitreten. Für die Regierungen in Sofia und Bukarest ist das ein herber Rückschlag. Ihre Länder gehören der EU und der Nato an. Vom Schengen-System vorerst ausgeschlossen zu bleiben, dürfte als demütigend empfunden werden. So schnell wie möglich sollte daher ein zweites Aufnahme-Verfahren angestrengt werden.

Die Grundregel von Schengen lautet: Je durchlässiger die Binnengrenzen sind, desto intensiver müssen die Länder beim Schutz der Außengrenzen zusammenarbeiten. Viele Menschen sorgen sich um die Zunahme von organisierter Kriminalität und Terrorismus durch illegale Migration. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Frontex, muss ausgebaut werden. Ebenso dringlich ist allerdings es, die Schutzsuchenden entlang ihrer Fluchtrouten besser vor staatlicher Willkür zu schützen. Das Asylrecht darf nicht zur Disposition gestellt werden.

In ihren „Gedanken zu Lessing“ schreibt Hannah Arendt, die Bewegungsfreiheit sei nicht nur die historisch älteste, sondern auch die elementarste. „Das Aufbrechen-Können, wohin man will, ist die ursprünglichste Gebärde des Frei-Seins.“ Das gilt für Schengen-Europäer ebenso wie für Menschen, die vor Verfolgung fliehen.

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