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Italien: Ende der Hanswurstiaden

Silvio Berlusconi ist seit einem Jahr nicht mehr im Amt. Stattdessen regiert Mario Monti Italien: Der hat das Land stabilisiert.

Die Bilanz am Ende von Mario Montis ersten Amtsjahr, so sagen sie in Berlin und Paris und Brüssel und Washington, könne sich sehen lassen. Aber wie das? Stark gestiegen sind die Arbeitslosigkeit, die Staatsverschuldung, die Steuerlast; das Bruttoinlandsprodukt geht in den Keller. Das alles, sagen Wirtschaftsexperten, wird noch mindestens ein Jahr so weitergehen. Und doch herrscht Ruhe im Land. Massenproteste, Ausschreitungen à la Griechenland und Spanien hat Italien in den vergangenen zwölf Monaten praktisch nicht erlebt.

Schon dieser Ruhe wegen kann Europa froh sein, dass es Mario Monti gibt. Er ist als Mann des Vertrauens angetreten und – auch wenn sie ihn an jeder Straßenecke „Blutsauger“ nennen – Mann des Vertrauens geblieben. Das liegt zum einen an seiner Person, deren Integrität in krassem Gegensatz steht zu allem, was die Italiener von ihren Politikern kennen und was sie derzeit jeden Tag an Selbstbereicherungsskandalen in den Parteien erleben. Zum anderen ist Monti zweierlei gelungen: durch beharrliches, pädagogisches Erklären konnte er seinen Landsleuten begreiflich machen, dass nach Jahrzehnten der Misswirtschaft die Erholung auch ihre Jahre braucht, und dass die eingeleiteten, schmerzhaften Grundsatzreformen ihre Wirkung erst später zeigen werden.

Ferner hat Monti – auch wenn deutsche und andere europäische Politiker nur ungern seiner Fachkenntnis und seinem Druck nachgaben – einige Umbauten in der Euro-Architektur mit vorangetrieben, die letztlich Europa stabilisieren können. Italien ist nach Berlusconis Hanswurstiaden wieder zum angesehenen Mitspieler auf der europäischen Bühne geworden. Das rechnen die in ihrem Stolz lange gekränkten Italiener ihrem Premier hoch an – und dieser weiß für einen „Technokraten“ viel zu gut, dass Psychologie ein bedeutsamer Teil jedes Krisenmanagements ist.

Dass Italien in die Rezession gerutscht ist, liegt nicht unbedingt an Montis Sparkurs. In Europas Gesamtkrise kann ein Land, das über Jahre hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgeblieben ist, eben keine großen Sprünge machen. Dass die Staatsverschuldung auf 126 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen ist, liegt an der Rezession – aber auch an den Milliarden, die genau dieses Land für die europäischen Rettungsschirme bereitstellt. Italien ist nach Deutschland immer noch zweitgrößter Nettozahler in der EU. Und Montis Regierung hat mit harter Hand die Fundamente des Staatshaushalts stabilisiert. Die Finanzmärkte haben daraus die Konsequenzen gezogen. Italien taugt nicht mehr als Spekulationsspielzeug: Die Risikoaufschläge, die Rom für seine Staatsanleihen zahlen muss, sind drastisch gesunken. Das ist auch ein Vertrauensbeweis

Noch haben Bürger und Unternehmer nichts davon. Aber Monti hat wichtige Grundlagen für die Zukunft gelegt. Jetzt kommt es darauf an, dass die Parteien, wenn sie nach den Wahlen im April wieder an die Macht kommen, die Reformen nicht wieder zunichte machen. Die Angst, die Italien davor hat und die Europa davor haben sollte, ist nur allzu berechtigt.

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