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USA: Ja, wir könnten

Vor einem Jahr wurde er zum US-Präsidenten gewählt. Die Hoffnungen waren groß. Doch die USA sind nicht so progressiv, wie es Barack Obamas Sieg erscheinen ließ.

Dieser Tage wird Barack Obama ein weiterer Zacken aus der Krone fallen. Vor einem Jahr haben ihn die Amerikaner mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Doch nun wird seine Partei, wenn nicht ein Wunder geschieht, bei mehreren Regional- und Kommunalwahlen verlieren. Die oppositionellen Republikaner finden Resonanz mit ihrer Behauptung, ihre Erfolge seien ein Beleg für die schwindende Popularität des Präsidenten.

Wahr ist auch: Vor einem Jahr hätte Obamas Auftreten genügt, um Demokraten in tendenziell konservativen Wahlkreisen siegen zu lassen. Das ist vorbei. Die breite Koalition, die ihm 2008 zum Triumph verholfen hatte, löst sich in Fraktionen auf, die seine Bilanz unterschiedlich beurteilen. Da sind die überzeugten Anhänger, die die Wahlversprechen für bare Münze nahmen und glaubten, mit dem „Yes, we can“-Schwung lasse sich Amerika revolutionieren: Krankenversicherung für alle, Rettung des Klimas durch verpflichtende Emissionsobergrenzen, Irak-Abzug, Schließung Guantanamos und vieles mehr. Nichts davon hat Obama bisher erreicht. Amerikas Linke ist enttäuscht.

Denn die breite Mitte der Gesellschaft wollte keine Revolution. Sie hat Obama gewählt, weil viele seiner Vorschläge wie vernünftige Alternativen zur Bush-Politik klangen. Heute warten diese Bürger ab, was er tatsächlich schafft. Die Krankenversicherung für alle und die Schließung Guantanamos haben sie unterstützt, solange das abstrakte Ziele waren. Die Wege, auf denen er sie erreichen will, betrachtet die politische Mitte Amerikas skeptisch. Deshalb ist es für ihn so schwierig, die Parlamentsmehrheit, die seine Partei auf dem Papier hat, für praktische Politik zu nutzen. Die Demokraten im Kongress wollen im Herbst 2010 wiedergewählt werden. Die Republikaner gönnen Obama keinen Erfolg. Eine Blockade seiner Politik ist aus ihrer Sicht der aussichtsreichste Weg zurück an die Macht.

Die USA sind im Alltag nicht so progressiv, wie es Obamas hoher Sieg vor einem Jahr erscheinen ließ. Die Mitte liegt weiter rechts als in Deutschland. Die Ziele, für die der Wahlkämpfer 2008 eine Mehrheit gewann, gelten inzwischen wieder als zu links. Einige Erfolge kann er gleichwohl vorweisen. Sie illustrieren, dass nur gradueller Wandel zu haben ist. Die Maßnahmen gegen die Finanzkrise greifen offenbar. Im dritten Quartal wuchs die US-Wirtschaft um 3,5 Prozent. Es wird freilich dauern, bis die Erholung auch den Arbeitslosen hilft. Und der Preis ist eine rasante Verschuldung. Beim Militäretat hat Obama Prestigeprojekte gestrichen wie den Kampfjet „F 22“. Die staatlich getragene Krankenversicherung wird, wenn sie überhaupt kommt, nur unter der Bedingung zu haben sein, dass jeder Einzelstaat sie ablehnen kann. Für Klimaschutz nach europäischem Maßstab hat er keine Mehrheit im Kongress. Guantanamo wird nicht so rasch geschlossen.

Vor einem Jahr schien es, als drücke Barak Obama den USA seinen Stempel auf. Inzwischen ist es umgekehrt. Yes, he can – aber nur, soweit Amerika ihn lässt.

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