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Kopenhagen: Klimagipfel: Ein Sieg der Bürger

Vielleicht ist die Welt ja doch in der Lage, ihren eigenen Untergang zu verhindern. Am letzten Tag des Weltklimagipfels in Kopenhagen bewegten sich die Verhandlungen auf Staats- und Regierungschefebene jedenfalls in diese Richtung. Ein halbwegs akzeptables Abkommen erscheint möglich.

Es hat zwei Jahre und zwei Wochen gebraucht, bis die Staats- und Regierungschefs der Welt zur Kenntnis genommen haben, dass sie mit der Physik nicht verhandeln können. Am Freitagabend wurde hinter verschlossenen Türen noch immer gefeilscht. Und vor der Tür verteidigten die meisten noch immer ihre bekannten Positionen. Aber die Angst vor einem Scheitern war so groß, dass zum ersten Mal die ehernen Regeln der ritualisierten UN-Prozesse gebrochen wurden: Die Chefs der Regierungen der Welt kämpften selbst Zeile für Zeile um einen Text.

Der Verhandlungsverlauf in Kopenhagen hat zweierlei gezeigt. Zum einen sind selbst sture Regierungschefs immer dann am besten, wenn die Not am größten ist. Kein Staat will nach dem Kopenhagener Gipfel schuld an dessen möglichem Scheitern sein. Die Zivilgesellschaften in aller Welt haben einen so gewaltigen Druck entfaltet, dass der Zorn der Bürger fast überall als Risiko eingeschätzt wird. Nur in den USA wäre es der Öffentlichkeit womöglich egal, wenn ein Klimagipfel scheitert – allerdings wäre es den empfindlichen Amerikanern nicht egal, dafür vor der Welt am Pranger zu stehen.

Die Klimaverhandlungen haben aber auch die neue Weltordnung offengelegt, in der die USA keine Führungsmacht mehr sind. Der amerikanische Präsident Barack Obama würde gerne führen. Mit diesem Anspruch trat er mit seiner Rede, die unter dem Motto „Akzeptiert unsere Bedingungen oder lasst es bleiben“ hätte stehen können, auch noch einmal auf. Aber die amerikanische Gesellschaft lässt das nicht mehr zu. Die Amerikaner sind noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen und man sieht Obama die Anstrengung an, mit der er sich bemüht, sie dorthin zu bringen. Auf der anderen Seite gibt es neue Führungsmächte, die langsam in diese Rolle hineinwachsen. Die Welt ist nicht mehr bereit, sich von innenpolitischen Interessen der Amerikaner in Geiselhaft nehmen zu lassen.

Vor allem Brasiliens Präsident Lula da Silva hat am Freitag in Kopenhagen bewiesen, dass er führen will und kann. Mit seiner mitreißenden freien Rede, die er präzise an den Verhandlungsstand anpassen konnte, hat er die Stimmung in Kopenhagen vermutlich zum Kippen gebracht – und zwar in die richtige Richtung. Dagegen sah der chinesische Premierminister Wen Jiabao blass aus. Zwar hat auch China sich im Verlauf der zweijährigen Verhandlungen immer öfter als Führungsmacht präsentiert. Doch im entscheidenden Moment hat der Premierminister in Kopenhagen gekniffen. Die Entwicklungsländer haben zwar oft mehr Krawall veranstaltet, als konstruktiv zu verhandeln. Aber eines ist klar: Allein mit Geld lassen sich auch diese Staaten nicht mehr kaufen.

Die neue Währung heißt Respekt. Gegen die Entwicklungsländer lässt sich so leicht nichts mehr durchsetzen – mit ihnen schon. Der Klimavertrag wird unzureichend sein. Er wird Schlupflöcher und Fallstricke haben. Aber Scheitern ist keine Option. So einig scheinen alle zu sein. Für einige kleine Inselstaaten geht es um die Existenz. Ob der Kopenhagener Vertrag sie retten kann, ist ungewiss.

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