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Kontrapunkt: Die entfesselte Renate Künast

Die Grünen-Spitzenkandidatin wollte sich flexibel zeigen, offen für Koalitionen. Doch das hat sie bewegungsunfähig gemacht, sagt Stephan-Andreas Casdorff. Jetzt will sie retten, was zu retten ist.

Das war ja mal was. Das war ja – Wahlkampf. Oder so: Das war das Ende des Wahlkrampfs. Renate Künast gibt alle Führungsambitionen auf, will nicht mehr Regierende werden, sondern die Grünen nur noch geordnet in eine Koalition mit den Roten führen. Und der regierende Rote tut so, übrigens ohne Rot zu werden, als würde ihn das kalt lassen. So kühl ist er, der Klaus Wowereit. Er hat wohl nach innen gejubelt.

Die Wende ist da. Sie hat sich abgezeichnet. Mit 30 Prozent gestartet, werden die Grünen mit jeder Woche schwächer. Wenn sie 18 Prozent erreichen, ist das auch schon ein schönes Ergebnis. Nach Lage der Dinge. Da musste Künast, die eine erfahrene Politikerin ist, die viele Kämpfe bestritten hat und daher weiß, wann was geht oder nicht mehr geht, retten, was zu retten ist. Auch sich selbst, und zwar den ihr verbleibenden Einfluss sowohl im Land als auch im Bund.

Die Linken in der Partei – zu denen Künast ja auch mal an vorderer Stelle zählte – sind die Mehrheit, die ihr verloren zu gehen drohte. Weil sie sich die Tür zu einer Koalition mit der CDU lange, fast zu lange offen ließ. So verlor Künast auf der Linken, und das auch außerhalb der Partei, mehr, als sie in der Mitte, der rechten Mitte, gewinnen konnte. Die hält sie nämlich immer noch für im Zweifel links.

Zum Trost für Künast: Ein bisschen ist das so wie bei Angela Merkel und ihrer Partei. Da finden Rote und Grüne manchmal auch, dass sie die richtigen Themen hat und ganz kluge Sachen sagt, aber wählen würden sie Merkel und die CDU darum trotzdem nicht. Das allerdings hätte die Bundespolitikerin Künast der Landespolitikerin Künast zur Warnung sagen sollen.

Sie hat sich selbst gefesselt, Renate Künast, indem sie sich als koalitionstechnisch beweglich präsentieren wollte. Damit war ihre Bewegungsfähigkeit in der Reaktion auf Angriffe der anderen eingeschränkt. Damit ist sie zwischen alle Stühle geraten; und der Stuhl des Regierenden wird für Künast mit Sicherheit nicht mehr frei. Allen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann. In Wahlkämpfen erst recht nicht.

Auf den Stuhl der Fraktionschefin im Bundestag kann sie zurückkehren, aber die Autorität Nummer 1 der Bundespartei wird sie nicht mehr. Ihr Scherbengericht tagt vom 19. September an. Und ihr wird nicht helfen, dass sie immer sagt, sie sei "Fischer-Schule", will sagen: eine, die von Joschka Fischer gelernt hat. Wenn sie schwächer als erwartet gewesen sein sollte, die grüne Partei, wird ihre Wahlkampfführung auseinander genommen werden. Da werden dann die reformerischen, realistischen Kräfte der Partei Künast wenig beistehen, Fischer auch nicht. Denn der war sowieso für Cem Özdemir als Grünen-Kandidat.

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