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Im Ausland begehrt: Leopard-Kampfpanzer made in Germany.

© dpa

Kontrapunkt: Die Rüstungspolitik und das Ende der Moral

Die Regierung fördert Rüstungsexporte und pfeift auf Prinzipien. Moral und Verantwortung bleiben dabei auf der Strecke. Und obendrein sind die Geschäfte hochriskant.

Von Michael Schmidt

Unter Helmut Schmidt wäre das nicht passiert. Auch zu seiner Zeit, Anfang der 80er, bemühten sich die Saudis intensiv um deutsche Panzer. Doch der Altkanzler, der naiver pazifistischer oder rüstungsindustriefeindlicher Neigungen unverdächtig ist, widerstand der milliardenschweren Versuchung. Weil er Prinzipien hatte. Und weil er sie ernst nahm: Keine Waffen an andere Mächte, Rüstungslieferungen nur an Verbündete. Angela Merkel hat mit dieser Nachkriegstradition der Selbstbeschränkung gebrochen.

Deutsches Kriegsgerät ist begehrter denn je. Nicht nur Saudi- Arabien, auch Indonesien und Katar wollen Leopard-Kampfpanzer made in Germany. Kleinwaffen von Heckler & Koch sind weltweit nachgefragt. In Indien warb die Kanzlerin für den Eurofighter, in Angola für Patrouillenboote. So rührig wie diese hat wohl noch keine Bundesregierung Rüstungsexporte an Staaten außerhalb Europas und des Nato-Verteidigungsgebiets gefördert. Die Heuchelei dabei hat ein unerträgliches Maß erreicht.

Mit den „Politischen Richtlinien“ zum Rüstungsexport, erlassen von Rot-Grün im Jahr 2000 und weiterhin gültig, verpflichtet sich die Bundesregierung auf eine „restriktive Rüstungsexportpolitik“. Doch Theorie und Praxis könnten kaum weiter auseinanderklaffen: Deutschland ist der weltweit drittgrößte Exporteur von Waffen und Kriegsgerät, 70 Prozent der Rüstungsgüter gehen, Tendenz steigend, ins Ausland. Zurückhaltung sieht anders aus.

Vielleicht steckt eine Strategie dahinter. Vielleicht hat das Afghanistan-Fiasko – zahlreiche Tote, Milliardenkosten, Ausgang ungewiss – zu einem Umdenken geführt. Vielleicht lässt sich, was derzeit als Merkel-Doktrin diskutiert wird, als Schluss aus den Erfahrungen der Bundeswehr-Auslandseinsätze interpretieren: Kriege sind unpopulär, eigene Opfer der Bevölkerung nur schwer vermittelbar – deshalb setzt man auf Maschinen statt Menschen, auf Drohnen statt Armeen – und schickt lieber deutsche Panzer in die Welt als deutsche Soldaten. Man konnte Merkel so verstehen, als sie im Sommer vor einem Jahr sagte: „Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein.“ Allein, die Frage ist: Wo bleiben Moral und Verantwortung dabei? Die Antwort lautet: auf der Strecke.

Aus einer verschämten Rüstungsexportnation wird so allmählich eine zunehmend un-verschämte. Eine, die ihre eigenen Richtlinien mit Füßen tritt. Keine Waffen in Staaten, in denen systematisch Menschenrechte verletzt werden? Keine Waffen in Spannungsgebiete? Man mag Länder wie Saudi-Arabien und Katar für regionale Stabilitätsanker halten. Man hat es lange auch für eine gute Idee gehalten, das Ägypten Mubaraks und das Libyen Gaddafis zu unterstützen. Ein Hort der Menschenrechte war und ist keines dieser Länder. Im Gegenteil.

Das Verhalten der Bundesregierung ist beschämend. Hochriskant ist es außerdem. Denn die Erfahrung lehrt: Der Verbündete von heute kann der Gegner von morgen sein, der dich mit deinen eigenen Waffen bekämpft.

Dass die Moral auf den Hund gekommen ist, offenbart sich nicht zuletzt in den Rechtfertigungen von Panzerdeals, die darauf hinauslaufen, zu sagen: Wenn wir nicht liefern, liefern andere. Weniger außenpolitisches Verantwortungsgefühl und geostrategische Kompetenz war selten.

Was könnte helfen? Öffentlichkeit und Transparenz. Es ist mindestens misslich, dass ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich ein Geheimgremium der Exekutive, wie der Bundessicherheitsrat, Rüstungsdeals absegnet, ohne die genehmigten Exportanträge öffentlich zu machen. Das Parlament muss mitreden können. Wie sonst sollen die Abgeordneten ihrer Aufgabe nachkommen, die Regierung zu kontrollieren? Im Namen des Souveräns.

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