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Die Piratenpartei hat gute Chancen auf einen Einzug ins Abgeordnetenhaus.

© dpa

Kontrapunkt: Fünf Gründe für den Erfolg der Piraten

Viel Feind, viel Ehr': Die Piraten punkten in Berlin, die anderen Parteien reagieren panisch und wollen das so gar nicht verstehen. Dabei ist das nicht schwer. Lorenz Maroldt hat fünf Gründe für die Popularität der Piratenpartei ausgemacht.

Mit panischen Wendemanövern versuchen Grüne und Liberale, noch kurz vor der Wahl den Piraten auszuweichen; die aber kreuzen weiter vor dem Abgeordnetenhaus herum und ziehen eine versprengte Seele nach der anderen aus dem trüben Teich des Wahlkampfs. Die anderen Parteien reagieren mit Abscheu und Empörung, und sie wollen so gar nicht verstehen, wie das passieren konnte - dabei ist das gar nicht so schwer.

Erstens: Die Piraten sind ein Gegenmodell zu den pseudo-professionellen Parteien. Deshalb ist es auch völlig egal, dass sie von vielen Dingen keine Ahnung haben („Da müssen wir uns erst noch einlesen“), peinliche Plakate haben („Wir sind die mit den Fragen – Ihr seid die mit den Antworten“) und die Performance zuweilen kaum zu unterschieden ist von der des Satirikers Sonneborn mit seiner „Partei“. Peinlich können die anderen auch. Aber die Piraten sind anders, und alleine das ist schon mal für eine wachsende Zahl von Wählern attraktiv.

Zweitens: Das alleine würde aber natürlich nicht reichen. Im Gegensatz zu den Splittersekten, die ebenfalls antreten, verfügen die Piraten aber über einen Identifikationskern, und der ist digital. Bei Datenschutz, Bürgerrechten, Netzsperren, Urheberrecht wirkt ihre Sprache „native“, nicht angelernt, auch wenn manche Forderungen kompletter Irrsinn sind; aber krude Ideen findet man bei den anderen auch, die Programme sind voll davon. Nur wirken SPDCDUGRÜNEFDPLINKE gegen die Piraten einfach offline, altmodisch.

Drittens: Wo was ist, kommt was dazu. Die Piraten hatten bei der Bundestagswahl bereits 3,4 Prozent in Berlin, potenzielle Wähler können also hoffen, dass ihre Stimme nicht „für den Gulli“ ist, wie Guido Westerwelle einst höhnte. Im Piratengulli ist jedenfalls mehr los als auf dem freidemokratischen Friedhof.

Viertens: Viel Feind, viel Ehr’. Seit Klaus Wowereit die Piraten mit seiner Warnung vor ihnen adelte, gibt es kaum noch ein Halten. Warum warnte Wowereit nicht vor der Wahl der NPD, sondern erklärte die Piraten für gefährlich? Weil es ihm um seine bequeme Koalition mit der Linken geht, die ist tatsächlich durch die Piraten gefährdet: Kommen sie rein ins Parlament, fliegen die Linken raus aus dem Senat, eine ganz einfache Rechenaufgabe, das bekommen selbst noch Leute hin, die den Schuldenstande Berlins auf Millionen schätzen statt auf Milliarden. Die Unglaubwürdigkeit der Warnung bestärkt die Glaubwürdigkeit der Gefürchteten, die dazu noch mehr von Käpt’n Blaubär haben als von Jack Sparrow.

Fünftens: Wer die Wähler des Gegners beleidigt, motiviert sie erst recht. Das hätte auch Rakete Renate wissen können, als sie sagte, die Piraten müssten resozialisiert werden. Was will Frau Künast damit sagen? Wer Piraten wählt statt Grüne ist asozial? Na, der werden sie es aber zeigen!

Die ganze Geschichte erinnert übrigens stark an eine andere kleine Partei, die sich vor vielen Jahren ein Thema schnappte, von anderen Dingen keine Ahnung hatte, peinliche Plakate druckte, mit seltsamen Gestalten auftrat, Hohn und Spott ausgesetzt war, als Zeitgeisterscheinung abgetan wurde und später die Bundesrepublik mitregierte. Ein Durchmarsch wie der von den Grünen ist von den Piraten eher nicht zu erwarten, den ganzen Kahn werden sie kaum übernehmen. Aber an Bord kommen könnten sie schon, und wenn sie dann ein bisschen Stimmung auf dem Unterdeck machen, wird das Abgeordnetenhaus davon schon nicht untergehen. Wenn die Wähler das so wollen, trotz alledem, dann wird das schon ein, zwei, drei, vier, fünf Gründe haben.     

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