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Kontrapunkt: Hundeführerschein und Bierverbot: Berlin braucht diese Regeln

Alkoholverbot für Minderjährige und Hundeführerschein für Herrchen fordert die rot-schwarze Koalition. "Alles nur Symbolpolitik!" rufen die ewigen Zweifler. Lorenz Maroldt meint: Es ist ein Anfang.

Na, wenn das keine Revolution ist: Ausgerechnet in Berlin, der Stadt, in der es nach Meinung des BVG-Sprechers bei jungen Leuten zum angeblich nicht therapierbaren Lifestyle gehört, mit einer Flasche Bier herumzulaufen, will der neue Senat nun doch tatsächlich versuchen, den Alkoholkonsum von Minderjährigen einzuschränken. Und mehr noch: Ausgerechnet in Berlin, der Stadt, die wegen ihrer angeblichen Hundefreundlichkeit demnächst mit dem „Dog Award“ ausgezeichnet wird, sollen gefühlte Millionen Herrchen und Frauchen von allen „Eigentlich tut er nichts“-Beißkläffern einen Führerschein machen. Ja, sind die verrückt geworden? Wer soll denn die noch wählen? Wer soll das kontrollieren?

Es gibt sicher wichtigere Themen in Berlin als betrunkene Jugendliche und haltlose Hunde, und noch viel sicherer wird es auch unter einem rot-schwarzen Senat sowohl die einen als auch die anderen geben. Es wären zudem nicht die ersten Regeln in dieser Stadt, die permanent folgenlos gebrochen werden, bestenfalls – utopisch! – die einsamen einzigen. Und dann auch noch das: Berlin ist gar nicht zuständig für die Versorgung seiner Adoleszenzen mit Bier und Wein zur gefälligen Anschickerung, sondern nur für deren Entsorgung, alles weitere regelt ein Bundesgesetz. Mal ganz abgesehen von folgendem Problem: Wie soll denn Papa künftig zu seinem Bierchen kommen, wenn der mit Plastiktüte hinausgeschickte Junior am Kiosk nur noch Cola kaufen kann?

Fragen über Fragen, und eine vernichtende Antwort: Alles nur Symbolpolitik! So sehen es jedenfalls die Defätisten, die in Berlin den Glauben, den sie nie hatten, ohnehin längst verloren haben, und so sehen es auch die Funktionäre der Polizei und der Ordnungsämter, die bei solchen Themen stets wie Kai aus der Kiste oder der Weingeist aus der Flasche kommen, um mindestens schon vorher gewusst zu haben, dass alles nichts wird („Dann kauft eben der volljährige Kumpel das Bier“, sagt der Berliner GdP-Chef), und die selbstverständlich auch die eine oder andere Stelle herauszuschlagen hoffen („Das muss ja auch kontrolliert werden!“). Nur die Grünen sagen nichts mehr ohne ihren Mediator.

Derart nölt sich der Berliner für gewöhnlich seine Welt schön. Dass der neue Senat da nicht mehr so ohne Weiteres mitmachen will, ist alleine schon bemerkenswert, und zwar bemerkenswert mutig. Denn auch daran werden sie gemessen werden: Jede junge Bierleiche auf der Straße, jedes Stückchen Kinderoberschenkel in Muffels Mäulchen ginge künftig aufs Schuldenkonto des Regierungsduos Klaus und Frank, Bad Bank Berlin.

Doch im Grunde ist es das, was die Stadt seit langem braucht: endlich mal eine klare Ansage, was gewisse Missstände betrifft. Na klar, nicht jedes Berliner Kindl verendet elendig an der Verwechslung von Gurkensaft und Gerstensaft. Und diejenigen, bei denen es anders ist, scheitern auch nicht erst bei Kaiser’s an der Kasse.

Viele andere aber schon, zum Beispiel, wenn sie ihr vermeintliches Glück des späten Abends am Nolli versuchen. Dort zum Beispiel sitzt einer am Band, der sich von jedem, aber wirklich jedem den Ausweis zeigen lässt, der noch nach Hausaufgaben aussieht. Das geht.

Genauso können Mitarbeiter des Ordnungsamtes, wenn sie denn demnächst befreit sind von der Monotonie der Kontrolle des ruhenden Verkehrs, sich um den weglaufenden kümmern, den mit und ohne Leine. Sie werden nicht jeden erwischen. Na und? Spricht das etwa dagegen, von Besitzern gefährlicher Hunde zu verlangen, dass sie wissen, wie sie diese zu halten haben?

Was ein Verbot des – bisher ab einem Alter von sechzehn Jahren erlaubten – Verkaufs von Bier und Wein an Minderjährige betrifft, wird der Senat viel gesetzliche Fantasie brauchen, um das umzusetzen. Die SPD ist ohnehin skeptisch, das Anliegen ist eher eines der CDU.

Aber alleine schon die Beschäftigung mit dem Thema auf höchster politischer Ebene ist ein Signal. Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen ist ein gesellschaftliches Problem, und zwar ein zunehmendes. Es wird nicht gelöst dadurch, dass der Verkauf von Bier und Wein erschwert wird, aber ein Verbot würde es erschweren, über das Problem nonchalant hinwegzusehen. „Wo hast du das Bier her?“, alleine schon diese Frage gewinnt dann an Relevanz, ebenso wie die Antwort, auch für den Verkäufer, der das Ordnungsamt fürchten müsste – immerhin.

Also: Warum nicht mal einen kleinen Schluck nehmen aus der Pulle mit der Medizin gegen Missstände und Bissstände? Wer was Besseres weiß: bitte sagen.

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