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Löwen fressen im Kopenhagener Zoo den Giraffenbullen Marius.

© AFP

Kopenhagener Zoo verfüttert Giraffe Marius: So einen Hals

Von Knut zu Marius: Müssen wir den strengen Geruch einer Pavianhorde selbst gerochen haben? Müssen wir sie alle hier bei uns haben, vom Affen bis zum Zebra? Nein, in dieser Form sind unsere Zoos nicht mehr zeitgemäß.

Armer Marius. Der jüngst fachmännisch exekutierte Kopenhagener Giraffenbulle geistert nun als Löwenfutter auf zahllosen Bildern durchs Internet. „Bild“ brachte ein Bild des toten Tieres als bildliche Anklage gegen einen „herzlosen“ Zoodirektor. Dabei hätte der Giraffenbulle Besseres verdient. Sein Schicksal gibt Anlass, über den Umgang mit Tieren in Zoos nachzudenken, vielleicht sogar über deren Daseinszweck.

Der war und ist ein wild gemischter. Artenschutz ist, natürlich, ein Gebot. In Berlin und anderswo rühmt man sich der Auswilderungserfolge. Mindestens genauso wichtig sind aber die Event- und Unterhaltungsapekte, nicht erst seit der Zeit von Zoo-König Knut. Der Streit um den Abgang des Berliner Zoo-Direktors Bernhard Blaszkiewitz hat es gezeigt. Dessen altmodisches Verständnis von Zoos und Tierparks als Räumen der Zucht und Arterhaltung, seine Skepsis gegenüber allem Hype um ausgestellte Tiere galten als nicht mehr zeitgemäß. Sein Nachfolger Andreas Knieriem hat erkennen lassen, dass er jedenfalls die Weite des Tierparks als Bedingung für eine artgemäße Tierhaltung zu schätzen weiß, bei allem Verständnis für die „wirtschaftlichen Kriterien“ der Zoo-Führung.

Zum Überleben in Afrika war Marius biologisch nicht mehr fähig

Artgerechte Haltung und Event – beides haben der Leiter des Kopenhagener Zoos und seine pathologische Abteilung zu verbinden versucht – Abscheu und Empörung waren das Ergebnis. Ein Tier, getötet mit einem Instrument, das in jedem Schlachthof täglich wer weiß wie oft zum Einsatz kommt, wird vor Publikum zerlegt und, wie in Afrika, an die Löwen aus der Nachbarschaft verfüttert. Das kann nur der für herzlos und schlimm halten, der für immer glauben will, dass Kühe lila sind, aus ihren Eutern flüssige Schokolade kommt, Kälber wegen der leckeren Filets freiwillig sterben und dass junge Giraffenmänner so lange durchs Gehege kopulieren, bis nun wirklich überhaupt kein Platz mehr ist und deshalb der Mensch, leider, regulierend eingreifen muss, weil die Zooleitung sonst Ärger mit der tierärztlichen Aufsicht bekommt.

Aber so tierfreundlich ist der tägliche Zoo-Normalbetrieb offenbar nicht. Mal abgesehen davon, dass Zoos wie der berühmte Zoologische Garten der Stadt Berlin in ihrer Beengtheit die Wohnverhältnisse in der Großstadt nachahmen, hat die Marius-Affäre das mehr oder weniger empörte Publikum nebenbei auch über die Verwandtschaftsverhältnisse der europäischen Giraffenpopulation aufgeklärt. Da wurde – Stichwort Arterhaltung – derart inniglich hin- und hergekreuzt, dass inzestuöse Verkümmerung drohte. Zum Überleben in Afrika war Marius biologisch nicht mehr fähig – die zoologischen Gepflogenheiten der Arterhaltung hatten ihn allein zum Überleben unter europäischen zoologischen Bedingungen ertüchtigt.

Sind Zoos zeitgemäß?

Die Unterhaltung von Zoos und Tierparks hat also unschöne Nebenwirkungen, und Marius hat uns daran erinnert. Zu den Hauptwirkungen dieser Einrichtungen gehört, dass Kinder exotische Tiere sehen, hören  und riechen können. Mehr zu sehen und zu hören gibt es für Kinder wie Erwachsene in jedem einigermaßen gut gemachten Tierfilm. Womit man bei der Kernfrage von Marius’ Abgang aus der Welt der Zäune und Gitter angekommen ist: Sind Zoos zeitgemäß? Bloß um den, sagen wir, strengen Geruch einer Pavianhorde selbst gerochen zu haben? Oder anders: Müssen wir sie alle hier bei uns haben, vom Affen bis zum Zebra? Wenn man den grundgesetzlich gewollten Tierschutz ernst nimmt, gehören dazu auch art- und tiergemäße Gehege.

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