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Fahrverbot: Leben ohne Lappen

Sind Einschnitte in die automobile Entfaltung auch im Jahre 2010 tatsächlich gesellschaftlich noch so hoch zu hängen wie Einschnitte in Freiheit und Vermögen? Das Fahrverbot für Gewalttäter – eine Idee aus einer vergangenen Ära.

Beeindruckend, wie die Menschheit sich im Lauf der Jahrhunderte zivilisiert hat: Früher quälte man Sträflinge, flocht sie aufs Rad, zerstieß ihre Gelenke oder ließ sie im Turm versauern. Düstere Welt. Wie anders heute, wo in „Hamburgs einzigartigem Lifestyle-Hotel zwischen Hafen und Reeperbahn“ (Eigenwerbung) die Damen und Herren Länderjustizminister vor Elbpanorama darüber grübeln, wie den Missetätern der Gegenwart außer mit Haft und Geldstrafe künftig beizukommen sei. Ihre jüngste Idee: Das Fahrverbot – das Nichtgasgebendürfen in einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Und alle Welt jubiliert nach dem Gauck-Prinzip: Nichts ist so präsentabel wie eine alte Idee, deren Zeit gekommen ist.

In der Tat hat das Fahrverbot als Straf-Idee schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel, da war das Öl noch billig, der Euro fern und Auto-Mobilität so selbstverständlich wie der Zweitwagen in der Garage. Heute entstaubt man gern das Fahrrad und geht ungern tanken. Aber es stimmt schon, der Glaube an das Automobil als Statusprämie für die, die es geschafft haben, hat sich ebenso gehalten wie die Überzeugung, man sei gestraft, wenn man es stehen lassen muss.

„Lappen weg“, das Fahrverbot, es ist so ziemlich die einzige Sanktion, die Otto Normal- und Superverbraucher fürchten. Und was ein durchschnittlich rechtstreuer Erwachsener schon fürchten muss, das wird einen brutalen Neuköllner Schläger erst recht in Schockstarre versetzen. So folgern derzeit die Abschreckungslogiker und Befürworter der neuen Hauptstrafe.

Ob das klappt? Es ist einen Versuch wert, insbesondere bei einer Klientel, die das Auto gelegentlich als Lückenschluss ihres unvollkommenen Egos benötigt, bei Heranwachsenden, die noch nach den erzieherischen Aspekten des Jugenstrafgesetzbuchs zu verurteilen sind. Doch wie wird unser Neuköllner Schläger dann wirklich über seine Züchtigung denken? „Ohh, f…, sechs Monate ohne Lappen, das ist hart, Mann“? Wird er es komisch finden, weil er gar kein eigenes Auto hat? Oder bloß schikanös? Am Ende: Wird er sich an das Verbot halten? Schließlich ist das Risiko klein, erwischt zu werden, wenn man nicht grad auf dem Columbiadamm Rennen fährt.

„Intelligent bestrafen“, fordert SPD-Mann Dieter Wiefelspütz. Das hört sich plausibel an und ist doch nur Schönrederei. Strafen waren nie intelligent und werden es auch nie sein. Im Gegenteil, sie sind dumm. Sie sind der letzte Ausweg, eine Kapitulation, wenn nichts zu retten ist, wenn alles versagt hat. Trotzdem muss Strafe manchmal sein. Sie schafft einen Ausgleich, der anders nicht zu haben ist. Dann jedoch hat sie nicht intelligent zu sein, sondern gerecht.

Das kann schwierig werden mit dem Fahrverbot, wo der eine mehr, der andere weniger dringend ein Auto braucht. Wo der eine das Auto beruflich nutzen muss, der andere nicht. Doch Richter mit Augenmaß lösen so etwas, für Gerechtigkeit im Einzelfall sind sie da. Das Problem liegt eher woanders: Sind Einschnitte in die automobile Entfaltung auch im Jahre 2010 tatsächlich gesellschaftlich noch so hoch zu hängen wie Einschnitte in Freiheit und Vermögen? Da erscheint die Idee älter als alt. Da ist sie von gestern.

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