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Manuela Schwesig hatte gefordert, die NPD im Thüringer Landtag zu verhindern

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Meinungsfreiheit: Das Schwesig-Dilemma: Wie die Regierung über Parteien reden darf

Wie neutral muss eine Ministerin sein? Das Bundesverfassungsgericht hat ein illusorisches Urteil darüber gesprochen. Dennoch ist es ein Appell, den Wert von Ämtern im Staatsgefüge zu schätzen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Sind alle Urteile gegen Nazis gute Urteile? Scheint so, jedenfalls wenn man die Reaktionen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Streit zwischen der NPD und Familienministerin Manuela Schwesig betrachtet. Lob gab es für die roten Roben für ihren Pragmatismus und ihre Lebensnähe. Sie hatten Schwesig zugebilligt, über die Rechten herziehen und es zum Politikziel erklären zu dürfen, sie aus dem Thüringer Landtag herauszuhalten. Minister dürfen über Parteien Klartext reden, solange sie es nicht als Minister tun, hieß es. Lebensnah? Eher das Gegenteil.

Die Verfassungsrichter bemühten sich, zu trennen, was eigentlich nicht zu trennen ist. Wenn Schwesig gegen die Rechtsextremen auf amtlichem Papier mit Minister-Briefkopf oder der Ministeriums-Homepage antrete, verletze es ihre amtliche Neutralitätspflicht, wenn sie dagegen „nur“ als Politikerin und SPD-Frau spreche, sei alles in Ordnung. Doch die Aufmerksamkeit, die sie bekommt, erhält sie, weil sie ein Amt hat. Das Amt macht ihre Worte wichtig, Reden und Interviews relevant. Wegen des Amtes wird sie auf Podien und in Talkshows geladen. Die Aufspaltung, die die Richter vornehmen wollen, ist eine Illusion.

Es ist natürlich ein Dilemma. Schwesigs Einwürfe zu verbieten, wäre ein für die politische Streitkultur verhängnisvolles Ergebnis gewesen; die Verfassung will die Räume für Meinungsstreit offenhalten. Sie will allerdings gleichzeitig verhindern, dass dafür Regierungsämter ausgenutzt werden. Ein höchstrichterliches Urteil kann nicht mehr tun, als daran zu erinnern. In der Praxis muss es den Politikern gelingen, die Ziele in Balance zu halten.

Amtsneutralität ist bei Regierungspolitikern aus der Mode gekommen, auch daran erinnert das Urteil. Deren Juristen hatten Schwesigs Einsatz als „nicht rechtserheblich“ kleingeredet und damit die Befugnis der NPD abgestritten, deswegen überhaupt vor Gericht zu ziehen.

Sich gegen eine Partei einzusetzen, ist für Regierungspolitiker so normal geworden, wie sich im Amt für die eigene zu verwenden. Das Schwesig-Urteil berührt damit auch den Konflikt zwischen Staat und Parteien. Der frühere Verfassungsrichter und CDU-Politiker Hans Hugo Klein tat gerade sein Befremden kund, mit welcher Unbekümmertheit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel seine Zustimmung zu den Freihandelsabkommen TTIP und Ceta vom Votum eines SPD- Parteitags abhängig machen will. „Amt ist anvertraute Herrschaft“, schrieb Klein, es kenne nur einen Auftrag, den des Gemeinwohls. Nicht den der SPD.

Das Urteil ist deshalb kein Freibrief, als der er in Parteien und Regierung wohl empfunden wird, sondern eine Mahnung. Noch sind die Fronten übersichtlich. Wenn es am rechten Rand weiter diffus wird, kann es schwieriger werden, die richtigen Worte zu finden.

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