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"Muttis Klügster" wollte klüger sein als Mutti, urteilt Stephan-Andreas Casdorff über den Fall von Norbert Röttgen.

© dapd

Röttgens Entlassung: Merkel kann Härte, zur Not auch autoritär

Der Rauswurf von Norbert Röttgen hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass die Kanzlerin keine Furcht vor Kalibern hat. Doch wenn ihre Regierung nun nicht besser wird, dann wird es für Angela Merkel schlechter enden, als es ihre Kalkulation gewesen sein dürfte.

Eiseskälte umweht ihren Auftritt. Die Art, wie Angela Merkel Norbert Röttgen abgelöst hat, findet so schnell keine Entsprechung. Entlassen aus dem Amt! Ob der Wahlverlierer vom vergangenen Sonntag ihr keine andere Wahl gelassen hatte? Jedenfalls hat die Bundeskanzlerin anscheinend keine andere Wahl gesehen, ihr Handeln ist unzweideutig. Ein Rauswurf – das ist ja wie bei Gerhard Schröder.

Und doch wieder ganz anders. Der frühere Kanzler war viel zögerlicher, skrupulöser, als er sich nach außen gab. Merkel dagegen: Sie kann Härte, konnte sie schon immer. Ihr Jungmädchenlächeln, das es unverändert gibt, hat es nur vergessen lassen. Aber jetzt, da erinnert sie daran. Schon als junge Ministerin hat sie allen, die so taten, als wüssten sie es besser, bedeutet, dass es ihnen nicht wohl bekommt. Wer es dann noch nicht verstanden hatte, wer dann auch nur noch im Entferntesten ihre Autorität infrage stellte, wurde entfernt. Entlassen.

Nur ging es damals nicht um einen Minister, sondern um einen Staatssekretär. Oder andere Beamte. Röttgen ist ein anderes, ein neues Kaliber. Jedenfalls in der Regierung. Dass sie aber keine Furcht vor Kalibern hat, hätte Röttgen auch wissen können. Ihr „Scheidungsbrief“ an Helmut Kohl, jener Zeitungsartikel, der auch Wolfgang Schäuble traf, war nicht weniger einschneidend.

Röttgen hat Fehler über Fehler gemacht, aber indem er der Intelligenz der Kanzlerin Hohn sprach, hat er den größten gemacht. Als ob Merkel nicht verstanden hätte, wie er taktieren wollte. „Muttis Klügster“ wollte klüger sein als Mutti. Es war eine Frage der Zeit, wann das schiefgehen würde. Wäre Röttgen wirklich klug, lebensklug, dann hätte er sich in Merkels Hand begeben und ihr angeboten, über ihn in jeder Weise zu verfügen. Dann hätte sie vielleicht ihrem Spitznamen entsprechend gehandelt.

Mag sein, dass Röttgen gut reden konnte mit den Grünen, und dass Winfried Kretschmann ihn vermissen wird. Aber das ist bei diesem Jahrhundertprojekt nicht die alleinige Kategorie. Ums Reden geht es nur zum Teil: Die Energiewende kommt nicht wirklich voran, die Angst vor einem Desaster wächst. Strompreise steigen, Gaskraftwerke fehlen, Grundlagengesetze kommen nicht durch: Diese Bilanz ist noch schlechter als 26 Prozent. Menschlich und fachlich wird verheerend über Röttgen geurteilt.

Und genau das hat Horst Seehofer auf den Punkt gebracht. Er sprach damit nicht nur für seine CSU, sondern auch für die FDP, was selten genug vorkommt. Danach war klar, dass die Kanzlerin reagieren würde. Denn auch das hat Röttgen wohl falsch eingeschätzt, wie so viele: Merkel will den Erfolg dieser Koalition, sie will ihn wirklich. Sie tut, wie sich jetzt eben unmissverständlich zeigt, alles, was aus ihrer Sicht dafür nötig ist. Notfalls entlässt sie auch einen, der sich als ihr Vertrauter fühlt.

Das hat natürlich eine Kehrseite: Sicher fühlen kann sich jetzt niemand mehr. Autorität ist das eine, das, was Politiker in den Augen der Mehrheit auszeichnet und was sie wählbar macht. Autoritäres Verhalten ist das andere, was die Menschen abschreckt, Wähler wie Sympathisanten und Parteimitglieder. Das haben sie jetzt von Merkel erlebt, nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit an der Spitze einer Regierung. Wenn die nun nicht besser wird, dann wird es für die Kanzlerin schlechter enden, als es ihre Kalkulation gewesen sein dürfte. Ihr Wärmestrom zum Wähler könnte dauerhaft unterbrochen sein.

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