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GASTBEITRAG: Merkel und Steinmeier dürfen nicht unter sich bleiben

Das Kanzlerduell muss für alle Parteien des Bundestags offen sein, meint der frühere Bundesaußenminister. Denn bis zu 40 Prozent der Wähler werden für kleinere Parteien stimmen.

Man mag es drehen und wenden, wie man will, Deutschland hat eine Medienlandschaft, um die uns viele beneiden – und das zu Recht. Das gilt für die Printmedien genauso wie für Rundfunk und Fernsehen. Das gilt für Qualität, für Vielfalt und für Unabhängigkeit. Ich beurteile das als jemand, der in 33-jähriger Zugehörigkeit zum Bundestag, in 23-jähriger Zugehörigkeit zur Bundesregierung und auch in der Zeit danach, wenn man so will, Betroffener war und ist.

Für Wahlkampfzeiten ist eine solche Presselandschaft besonders wichtig. Die Parteien des Deutschen Bundestages, unabhängig von ihrer Größe und Ausrichtung, können auch in solcher Zeit auf weitgehende Objektivität und auch Berücksichtigung rechnen.

Kein Grund zur Klage also? Wo Licht ist, ist auch Schatten. Einen solchen Schatten wirft die Absicht von zwei öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehstationen und von zwei privaten, in einer Wahlsupersendung die Spitzenkandidaten von drei der sechs Parteien des Deutschen Bundestages auftreten zu lassen. Nämlich die Spitzenkandidatin von CDU/CSU einerseits und den Spitzenkandidaten der SPD andererseits. Die Spitzenkandidaten der drei anderen Parteien jedoch sollen von dieser Sendung ausgeschlossen sein, obwohl alle Meinungsumfragen voraussagen, dass am 27. September 2009 35 bis 40 Prozent der Wähler für diese Parteien stimmen wollen. Ein falsches Bild also müsste durch die vorgesehene Zusammensetzung entstehen, nämlich dass allein die Wahl der drei eingeladenen Parteien darüber entscheidet, wer die nächste Bundesregierung bildet. Aber erst unter Einbeziehung der drei anderen Parteien fällt die Entscheidung.

Angesichts der festen Absicht der FDP zum Beispiel, die nächste Bundesregierung mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin zusammen mit CDU/CSU zu bilden, kommt es auf das Ergebnis dieser drei Parteien an und nicht nur auf das von CDU/CSU. Für die andere Seite des Parteienspektrums gilt das genauso. Es wird am 27. September 2009 der Bundestag gewählt, und seine Zusammensetzung entscheidet über die künftige Regierung.

Ich habe fünf Mal vor Bundestagswahlen an der sogenannten Elefantenrunde teilgenommen. Es waren Fernsehsendungen zwischen drei und vier Stunden, die wegen der Gründlichkeit des Austausches der Argumente unter allen Beteiligten einen hoch informativen Charakter hatten.

In diesem Jahr bedeutet der Ausschluss von drei Parteien von dieser einmaligen, in anderer Weise nicht ausgleichbaren Sendung den Ausschluss der Opposition von der wichtigsten Fernsehwahlsendung. Dass die Regierungsparteien unter sich bleiben, rührt am Grundverständnis von Regierung und Opposition in der parlamentarischen Demokratie. Was wäre zum Beispiel zu hören, wenn in einem EU-Beitrittsland die Opposition von der entscheidenden Wahlsendung ausgeschlossen würde? Und welchen Informationsgewinn kann es für die Wahlbürger bedeuten, wenn die beiden Diskutanten zunächst einmal die gemeinsame Regierungszeit preisen, dann die Absicht begründen auseinanderzugehen, aber Wiederverheiratung nicht ausschließen? Wahlkampf heißt Rechenschaft ablegen über die abgelaufene Wahlperiode und über die Ziele für die nächste. Das ist Sache aller Parteien. Man möchte den Veranstaltern, aber auch den beiden Diskutanten zurufen: „Keine Angst vor zurzeit noch kleineren Tieren.“ Duell oder Duett, das ist hier die Frage.

Um es noch einmal zu sagen, bei uns kann sich keine der Parteien des Bundestages über die Beachtung in der Presse beklagen, das gilt ganz eindeutig auch für den Wahlkampf und dort auch für die Fernsehstationen. Dennoch, diese Sendung sprengt alle Maßstäbe. Gerade deshalb muss der Grundsatz der Chancengleichheit besonders streng beachtet werden. Die Sender sollten das noch einmal bedenken, und die beiden Diskutanten auch. Natürlich liegt die Verantwortung bei den vier Sendern, aber die Diskutanten übernehmen sie mit ihrer Teilnahme auch.

Der Autor war von 1974 bis 1992 Außenminister.

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