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FDP vor Dreikönig: Radikal liberal

Das Dreikönigstreffen der FDP in der kommenden Woche wird von den Liberalen traditionell als eine Art Neujahrsansprache genutzt. Da Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede zum Jahreswechsel kein konkretes Wort über mögliche Reformen bei Gesundheit, Steuern oder Soziales verlor, wird der kleine Koalitionspartner umso lauter und konkreter danach rufen. Spätestens dann wird man sich vergegenwärtigen müssen, dass die FDP im Prinzip eine radikale Partei ist, weil sie radikale gesellschaftliche Veränderungen fordert.

Die FDP hat die Bundestagswahl als Klientelpartei gewonnen, sie hat dabei den langjährigen Markenkern der Union vertreten, sie will eine andere Gesundheitspolitik, eine andere Steuerpolitik und einen Solidaraustausch bei den Abgaben, der allein über Steuern geregelt wird. Sie sieht, und das ist radikal, gemessen an der Haltung aller anderen demokratischen Parteien, Ungleichheit als notwendigen Ansporn für eine Gesellschaft. Ungleichheit, sagt sie, ist nicht per se illegitim. Sie verlässt damit im Grunde den bundesrepublikanischen Konsens, dass soziale Gerechtigkeit innerhalb der Sozialsysteme in erster Linie Gleichheit zu bedeuten hat.

Nun fürchtet die FDP, dass sie bei der Wahl nur einen Pyrrhussieg errungen hat. Die Finanzlage und Angela Merkel werden den liberalen Willen nicht zulassen. Die Kanzlerin muss ihre Partei „sozialdemokratisch“ belassen, nicht nur wegen der wichtigen Wahlen in Nordrhein-Westfalen, sondern auch, um die SPD im Bund auf Distanz zu halten. Merkel wird weiter moderieren und ausgleichen, aber keine radikalen Brüche vollziehen wollen. Die FDP weiß das, und sie weiß auch, dass ihr Spielraum für Reformen nach der nächsten Steuerschätzung im Mai nicht größer wird. Deshalb ist sie jetzt so aggressiv im Ton, so kompromisslos in der immer wiederkehrenden Forderung nach Steuersenkungen und im quälenden Beharren auf dem Koalitionsvertrag. Was sein soll, muss sein – die FDP übt eine Art liberale Basta-Politik. Nur stellt sie nicht den Kanzler.

Zwei Szenarien sind möglich. Die FDP erinnert die Union immer wieder daran, dass sie inhaltlich nicht die SPD ist – und den Bruch der Koalition in Kauf nehmen würde. Schon jetzt triezt sie die Union an ihrer empfindlichsten Stelle, nämlich der Frage, wie viel Staat sie zulassen will und welches Gesellschaftsmodell ihr vorschwebt. Zeigt sich die FDP auch nach der Steuerschätzung stur, würde eine öffentliche Debatte über das vorzeitige Ende der Koalition nicht ausbleiben. In einem solchen, unwahrscheinlichen Fall würde die konservative Klientel samt marktorientierten CDU-Wählern bei den Liberalen bleiben, und das Scherbengericht würde über der Union stattfinden.

Die andere Variante ist nicht weniger heikel: der Verzicht auf radikale Reformen mit dem Kalkül, das kalte Image der Klientelpartei abzustreifen. Dabei glaubwürdig zu bleiben, wird schwer. Es bliebe als Argument nur der Appell ans patriotische Gewissen der eigenen Wähler. So hat Schröder bei den Hartz-Reformen versucht, die SPD-Klientel an seine Seite zu zwingen: Hier stehe ich und kann nicht anders. Bei der FDP hieße es, wir können nicht anders als zurückrudern, weil es nicht die Zeit für radikale Reformen ist.

Aber wer könnte das glaubwürdig erklären? Auch nach vielen Jahren Opposition, mit jetzt fünf Ministern, wirkt die Partei, jung oder alt, noch immer wie ein Klub von Westerwellianern. Die Jungen, Minister Rösler oder Generalsekretär Lindner, haben noch kein öffentliches Gewicht. Die Alten, wie die Minister Brüderle und Leutheusser-Schnarrenberger, wirken wie aus der Zeit gefallen. Leutheusser-Schnarrenberger, die das Gesicht der Bürgerrechte sein wollte, übt sich bislang in Pragmatismus. Guido Westerwelle aber ist als Außenminister nicht mehr anwesend, nicht anwesend genug, um seiner Partei und der Koalition der nötige Kompass zu sein. Das aber ist der eigene Anspruch der FDP. Wahrscheinlich ein viel zu radikaler.

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